Stachel der Erinnerung
Schwester finden konnte, wenn die Zeit dafür gekommen war.
Noch einmal
lachte er, diesmal still in sich hinein. Man konnte mit Danny Fox rechnen, ganz
bestimmt – er wußte, wie er gut für sich sorgen konnte.
Matthew lehnte am Rahmen der Tür, die in
den Salon führte, und betrachtete die Szene vor sich mit einer Mischung aus Verstimmung
und Belustigung. Jessie stand ergeben neben seinem Vater. Sie war für den Abend
gekleidet in ein Kleid aus eisblauem Satin, besetzt mit Straßsteinen. Ihr
goldenes Haar war zu einer Krone aufgesteckt, die ebenfalls mit Straßsteinen
verziert war. Ein kostbares Diamanthalsband lag um ihren schlanken Hals. Es war
ein Geschenk seines Vaters, und dazu passende Ohrringe schimmerten an ihren
kleinen, muschelförmigen Ohren.
Er sah, daß
ihre Hände ein wenig zitterten. Statt eines Lächelns lag ein Ausdruck auf ihrem
Gesicht, der eher zu jemandem gepaßt hätte, der gerade dabei war, die Stufen
des Schafotts zu erklimmen, und nicht für eine junge Dame, die ihr Debut in der
Gesellschaft absolvierte.
Vielleicht
war es dieser weibliche Titan, der vor ihr stand, der sie so einschüchterte.
Cornelia Witherspoon, Lady Bainbridge, war eine Witwe von hohem Stand. Sie war
klein und ein ausgesprochenes Energiebündel. Sein Vater hatte ihr schon immer
große Achtung gezollt. Sie wiederum, munkelte man, brachte ihm eine zärtliche
Neigung entgegen.
»Ja,
sicher, das Mädchen ist in Ordnung so.« Lady Bainbridge musterte Jessica von
Kopf bis Fuß. »Von dem Augenblick an, als ich sie zum ersten Mal sah, war mir
klar, daß deine Jessica von vornehmer Abkunft ist. Aber du, Reggie, hast ein
Meisterstück aus dem Mädchen gemacht. Wirklich, sie ist eine Ehre für Mrs.
Seymours Schule ... und natürlich auch für dich, mein lieber Reggie.«
Der Marquis
strahlte, und eine leichte Röte stieg in Jessicas Wangen. »Sie ist schon etwas
ganz Besonderes, nicht wahr, Corney?«
»Ganz
bestimmt, Reggie. Das Mädchen wird allen die Köpfe verdrehen, darauf möchte ich
wetten.«
Matt sah
seinen Vater an. Er entdeckte in seinem Blick diesen Ausdruck von Stolz und
Beschützerinstinkt, den der alte Mann immer dann zeigte, wenn er Jessie sah.
Sie hatte seine Zuneigung vollkommen gewonnen. Reginald Seaton sah in ihr
nicht das diebische kleine Luder, das sie einmal gewesen war, sondern nur die
wunderschöne, intelligente junge Frau, zu der sie durch harte Arbeit ihrerseits
geworden war.
Vielleicht
hatte sein Vater ja recht, und er selbst ließ sich durch seine Erinnerung an
die Jessie blenden, die er aus der Vergangenheit kannte. Vielleicht hatte er
erst in den letzten Tagen die wahre Jessie kennengelernt – als sie zum Beispiel
stolz die Sachen ausbreitete, die sie gekauft hatte: Geschenke für die Kinder
in ihrer winzigen Behelfsschule, Geschenke für Mrs. Quinn und Papa Reggie und
nur ein einziger, nicht sehr teurer Gegenstand für sich selbst.
Vielleicht
jedoch ging sie nur so geschickt vor, damit sie ihn und den Rest der adligen
Gesellschaft hinters Licht führen konnte.
Wie auch
immer die Wahrheit aussah, Matthew war es gleich. Sein Weg lag deutlich vor
ihm. Caroline Winston war die Frau, die er als Ehefrau des zukünftigen Marquis
von Belmore haben wollte. Sie war eine perfekte Lady. Sie würde ihm eine
perfekte Frau sein. Er hoffte nur, daß die ehrgeizigen Pläne seines Vaters für
Jessie Fox ihnen nicht den gesellschaftlichen Ruin bringen würden, ehe es
soweit war.
Der alte
Mann räusperte sich. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr wir deine
Unterstützung zu schätzen wissen, Cornelia.« Er lächelte Lady Bainbridge an,
sein Blick huschte zu ihren schweren Brüsten, die unter einem schwarz-silbernen
Kleid verborgen waren. Ihr Haar war von der gleichen silbernen Farbe wie das
seine, doch einige Strähnen zeugten noch davon, daß es in ihrer Jugend üppig
und rabenschwarz gewesen war. Noch einmal betrachtete er sie, und in seinen
Augen leuchtete plötzlich ein ganz anderes Licht als zuvor.
»Ich wage
zu behaupten, Corney, mit dir an Jessicas Seite wird ihr Einzug bei Almack ein
Erfolg sein, und von da an wird ihr keine Tür mehr verschlossen sein.«
Lady
Bainbridge lächelte zufrieden. »Keine Angst, Reggie. Ich werde persönlich dafür
sorgen, daß sie ein Erfolg wird.« Trotz ihrer Jahre war sie noch immer eine
sehr gutaussehende Frau, und wie es schien, hatte Matts Vater das jetzt endlich
auch bemerkt. Reginald Seaton war zweimal verheiratet gewesen, doch geliebt
hatte er nur ein
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