Stachelzart
nehme?“, fragte ich Trudi und hoffte insgeheim, dass der Preis nicht ganz so hoch ausfallen würde.
„Echt? Willst du die Tasche wirklich nehmen?“, fragte Mimi mich, als Trudi zu ihrem Computer geeilt war. „Ist die nicht ein bisschen teuer?“
Da war sie wieder: Meine vernünftige Freundin Mimi. In manchen Situationen war ich ihr wirklich dankbar für ihre klugen und vorausschauenden Tipps, aber doch nicht wenn es um EINE MJ TASCHE GING!!!
„Das ist keine Frage von wollen! Ich MUSS sie einfach mitnehmen. Sieh doch mal, sie will auch, dass ich sie mitnehme!“, erwiderte ich und drückte die Tasche eng an mich. „Hörst du? Sie flüstert: Nimm mich mit, nimm mich mit!“
„Ach Anna, manchmal bist du echt ein schräger Vogel!“, lachte Mimi.
Ich blickte sorgenvoll hinüber zu Trudi, die immer noch rechnete. Hoffentlich würde es nicht ganz so teuer werden. Vera zahlte zwar das Spritgeld für unseren Kurzurlaub und auch die Verpflegung wollte sie übernehmen, aber das Zimmer wollte ich selbst bezahlen. Ich mochte es nicht, von ihr ausgehalten zu werden, obwohl sie angeboten hatte, den Urlaub ganz zu bezahlen. Aber das verbot mir mein Stolz. Immerhin hatte ich auch ein bisschen Geld. Wenn ich kein neues Buch schreiben würde, würde es zwar nicht mehr allzu lange reichen, aber noch nagte ich nicht am Hungertuch. Und bis auf meinen absoluten Handtaschenfimmel machte ich mir auch nichts aus Designerware, weshalb mein Leben normalerweise auch nicht allzu teuer war.
„Zusammen müsstest du abzüglich des Geldes, das du für deine alten Sachen bekommen würdest, noch 400 Euro bezahlen!“, kam Trudi mit der Botschaft zurück.
Wow, 400 Euro waren noch ganz schön viel. So viel wollte ich eigentlich gar nicht ausgeben. Aber ich brauchte diese Tasche, unbedingt!
„Und wenn ich den Hosenanzug doch hier lasse?“, fragte ich.
„Dann wären wir bei 320 Euro“, meinte Trudi.
„Ok, das machen wir!“, antwortete ich.
„Sag mal, du brauchst doch was für deinen Urlaub. Willst du die ganze Zeit nur in dem blauen Rock und der Bluse rumrennen?“, warf Mimi ein.
„Egal“, wischte ich ihre Einwände beiseite. „Ich habe ja auch noch die weiße Jeans und vielleicht finde ich doch noch etwas in meinem Kleiderschrank. Außerdem wird die Tasche Vera ablenken. Das ist wahrscheinlich das Einzige, was wir wirklich gemeinsam haben - unsere Liebe für Handtaschen! Vera wird ausflippen, wenn sie die Tasche sieht!“
Ich wusste natürlich, dass es nicht vernünftig war, so viel Geld für eine Tasche auszugeben. Aber wenn ich etwas wirklich haben wollte, konnte ich nicht vernünftig sein. Das wusste auch Mimi und gab auf. „Na dann, bezahl mal schnell, danach können wir noch kurz einen Kaffee trinken gehen. Ich muss in einer halben Stunde wieder ins Büro!“, sagte sie.
Gut gelaunt und um 320 Euro ärmer verließ ich kurz darauf mit Mimi „Klamotten-Story“. In der Hand trug ich eine cremefarbene Tüte mit meinem neuen Schatz, eingeschlagen in Seidenpapier. Wir überquerten die Straße und suchten uns einen Tisch draußen vor dem kleinen Coffeeshop. Das liebte ich an Berlin. Sobald die Sonne nur ein bisschen Kraft hatte, stellten die Café- und Restaurantbesitzer ihre Tische nach draußen. Wenn man dem Wetterbericht Glauben schenken sollte, wäre das heute auch die letzte Gelegenheit draußen zu sitzen, bevor der graue und verregnete Herbst demnächst beginnen würde. Ich bestellte mir einen Latte macchiato und ein großes Stück Himbeer-Mascarpone-Torte. Immerhin musste der neue Rock ja auch vernünftig sitzen, das wäre ja auch nichts, wenn er im Urlaub plötzlich zu groß wäre, rechtfertigte ich meine Bestellung vor mir selbst. Und außerdem musste ich doch die neue Tasche feiern und was wäre dafür geeigneter als meine Lieblingstorte? Mimi wollte lieber einen Tee trinken und keinen Kuchen essen. Alte Spielverderberin!
Während wir auf unsere Bestellung warteten, holte ich vorsichtig meine neue Handtasche aus der Tüte und stellte sie auf den Tisch. Dann nahm ich meine alte Handtasche und kramte darin herum.
„Was machst du denn da?“, wollte Mimi wissen.
„Ich will meine Sachen umpacken“, erwiderte ich. „Ich muss die neue Tasche doch einweihen!“
„Jetzt sofort?“, fragte Mimi.
„Na, klar!“, antwortete ich und legte alle wichtigen Dinge ebenfalls auf den Tisch: Schlüssel, Portemonnaie, Lipgloss, Taschentücher. Dabei fiel mir auf, wie viel unnützes Zeug ich eigentlich tagtäglich
Weitere Kostenlose Bücher