Stachelzart
Zuckersüß schreiben. Aber ich bin irgendwie im Moment nicht in Stimmung. Mir fällt nichts Romantisches ein. Außerdem habe ich echt Angst davor, dass das neue Buch dann auch so verrissen wird wie Zitronenherb . Wahrscheinlich könnte ich gerade sogar eher Horrorgeschichten schreiben als Liebesromane. Eine Vorlage hätte ich ja auch schon: Den Kurzurlaub mit Vera. Der Titel würde dann lauten: Horrortrip in den Bergen!“ Vor meinem inneren Auge tauchte Vera in Gestalt eines Zombies auf, der trotz seines toten Körpers noch darauf bedacht war, hübsch auszusehen und immer mit Spiegel rumlief. Ich musste lachen. Zumindest war meine Fantasie noch nicht ganz abhandengekommen.
„Na, was Romantik angeht, bin ich sicherlich auch keine Hilfe!“ Mimi zuckte mit den Schultern.
„Ach, mal sehen“, ich machte eine wegwerfende Handbewegung, denn ich hatte keine Lust mir meine gute Stimmung zu vermiesen. „Vielleicht ist mein Trip mit Vera ja ganz gut, um den Kopf frei zu bekommen. Ich will ein bisschen wandern gehen. Vielleicht fällt mir dabei etwas ein!“
„Ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen“, meinte Mimi und verabschiedete sich mit einem Wangenküsschen von mir. Sie musste los und weiter unromantische Scheidungen regeln.
Ich blieb noch einen Moment sitzen und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Hin und wieder betrachtete ich glücklich meine neue Handtasche. Die Frage, warum jemand so eine Tasche abgab, schwirrte mir aber immer noch im Kopf herum, genauso wie der Inhalt des Briefes. Wie gemein, mit so einem Zettel mit jemandem Schluss zu machen , dachte ich. Wie gut, dass ich mir über so etwas keine Gedanken machen musste. Kein Partner, kein Problem mit Liebeskummer. Alleine zu leben hatte auch durchaus seine Vorzüge.
Drittes Kapitel
Freitag, 4. Oktober
Die Welt ging unter. Zumindest wettertechnisch. Hatte gestern noch die Sonne vom Himmel geschienen, so regnete es jetzt aus Kübeln. Da hatten die Meteorologen mit ihrer Unwetterprognose doch tatsächlich Recht behalten. Ich saß neben Vera auf dem Beifahrersitz ihres Mercedes und starrte angespannt auf die Straße. Wir kamen auf der Autobahn nur im Schneckentempo voran, denn die Sicht war richtig mies. Man konnte kaum zehn Meter weit gucken.
Vera schien das nicht sonderlich zu stören, obwohl sie den Wagen fuhr. Sie plapperte in einer Tour. Ich fühlte mich nicht sehr sicher neben ihr, denn ich hatte nicht das Gefühl, dass sie ausreichend genug auf die Straße achtete. Mehrmals hatte ich nun schon angeboten, dass ich auch fahren könnte, aber Vera hatte abgewunken. „Kannst du später immer noch. Die Fahrt wird ja länger dauern!“, meinte sie.
Ich nahm meine neue MJ Handtasche auf den Schoß und suchte nach Kopfschmerztabletten. Die brauchte ich dringend, denn sonst würde ich die lange Fahrt und Veras Geplapper nicht überstehen. Die Handtasche hatte Vera natürlich gebührend gewürdigt. Sie war schier ausgerastet und wollte unbedingt wissen, ob es noch mehr MJ Taschen in Trudis Laden geben würde. Denn neu waren selbst für Vera diese Taschen zu teuer. Ich verneinte Veras Frage, erzählte ihr aber, dass sich ein Besuch bei Trudi immer lohnen würde. Von dem Zettel, den ich in der MJ gefunden hatte, erzählte ich Vera nichts. Ich fand das irgendwie unpassend.
„Vera, Achtung!“, schrie ich plötzlich, denn der Wagen vor uns machte eine Vollbremsung.
Vera stieg in die Eisen.
„Kaum regnet es mal ein bisschen, schon kann keiner mehr Auto fahren!“, schimpfte sie.
Ich rieb mir den Hals. Der Anschnallgurt hatte sich unangenehm gegen meine Haut gepresst. Auf der Straße tanzte ein Stück Plane im Wind. Die musste irgendein LKW verloren haben. Deshalb hatte das Auto vor uns bremsen müssen. Vera manövrierte ihren Mercedes vorsichtig um die Plane herum.
„Wollen wir nicht lieber wieder zurück fahren?“, fragte ich ängstlich. „Wir haben immerhin noch mindestens 500 Kilometer vor uns. Und das Wetter wird immer schlimmer!“
„Quatsch, sei nicht so ein Angsthase! Das bisschen Regen!“, antwortete Vera gelassen.
„Das nennst du ein bisschen Regen!“, quietschte ich entsetzt. „Gleich kommt Noah mit seiner Arche vorbei geschwommen und streckt uns die Zunge heraus.“
„Du und deine blühende Fantasie“, entgegnete Vera. „Wir schaffen das schon. In den Bergen ist das Wetter bestimmt besser!“
„Ich weiß nicht“, murmelte ich.
Ich versuchte nicht mehr auf die Straße vor uns zu
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