Stachelzart
richtig?“
„Ja!“, antwortete ich.
Trudi hatte ein unglaublich gutes Gedächtnis. Sie kannte alle ihre Kundinnen und auch deren Lebensläufe. Das gehörte zu ihrem Geschäftskonzept. Denn wie der Name „Klamotten-Story“ schon sagte, hatte jedes Kleidungsstück eine Vorgeschichte zu erzählen, die Trudi den Käufern gerne mitteilen wollte. Deshalb hingen kleine Schilder mit der Aufschrift „Meine Story“ an den Sachen, die den Kunden mehr über das jeweilige Stück verrieten, zum Beispiel dass die vormalige Besitzerin eines eleganten Kaschmirpullovers eine Geschäftsfrau gewesen war oder dass die bunte Bluse einer Schauspielerin gehört hatte.
„Ich glaube, ein paar Sachen sind noch da!“, meinte Trudi und suchte in den Regalen nach meinen alten Klamotten. „Ja, hier: Eine weiße Jeans und dieses Oberteil sind noch da. Der Rest ist schon weg. Gingen ganz gut deine Sachen!“
Trudi reichte mir die Sachen. Auch an meinen Klamotten hingen kleine Schilder. Ich las das Schild, das an dem Oberteil baumelte. „Dieses elegante Stück gehörte einer Bestseller-Autorin“, stand dort. Ich lächelte wehmütig. Wie gerne wäre ich auch weiterhin eine Bestseller-Autorin! Aber dazu müsste ich erst einmal etwas schreiben. Verdammte Schreibblockade!
„Willst du diese Sachen wieder mitnehmen?“, unterbrach Trudi meine Gedanken.
„Ja, gerne. Wenn das geht?“, entgegnete ich.
„Klar! Ich kann dir auch schon das Geld für die verkaufte Ware geben, wenn du möchtest! Vielleicht findest du ja noch etwas, was du gebrauchen kannst!“ Mit einer ausladenden Handbewegung zeigte Trudi auf die Regale. „Ich habe gestern auch noch ein paar schicke Handtaschen reinbekommen. Die müsst ihr euch unbedingt ansehen.“
„Toll! Danke Trudi!“, antwortete Mimi und zog mich weiter in den Laden hinein.
Eine halbe Stunde später hatte ich dank Mimis Unterstützung noch einen hübschen blauen Rock, eine Bluse und einen Designer-Hosenanzug gefunden. Das musste reichen. So hatte ich wenigstens für das abendliche Essen mit Vera vernünftige Kleidung. Tagsüber zum Wandern würde ich eher praktische Kleidung brauchen und nach dem Essen wäre ich sowieso alleine auf dem Zimmer, denn Vera hatte zwei Einzelzimmer gebucht. Meinen alten Pyjama mit dem Teddymuster würde also niemand zu Gesicht bekommen und auch meine bequeme Blümchenunterwäsche würde mein Geheimnis bleiben. Die Handtaschen, von denen Trudi vorhin gesprochen hatte, würde ich mir allerdings gerne noch ansehen. Bei meiner Kleidung war es mir eigentlich egal, von welcher Marke sie war. Hauptsache sie gefiel mir und war nicht ganz so teuer. Bei Handtaschen war das allerdings etwas anderes. Ich stand total auf Handtaschen und kannte mich bestens mit den aktuellen Trends aus. Der Handtaschenfimmel war wahrscheinlich auch das Einzige, was ich mit Vera gemeinsam hatte. Sie stand auch total auf Handtaschen. Ich ging hinüber zu dem Regal. Und da stand sie: Meine Traum-Tasche! Eine MJ in der Trendfarbe Bubblegum-Pink! Und das auch noch aus der aktuellen Kollektion. Wer gab denn so eine Tasche freiwillig ab?
„Mimi!“, quietschte ich. „Da! Guck dir das an!“
„Eine MJ. Wow!“, meinte auch Mimi beeindruckt.
Vorsichtig nahm ich die Tasche aus dem Regal. Ich traute mich kaum auf das Preisschild zu schauen. „Diese exklusive MJ Tasche aus der aktuellen Kollektion gehörte einem bekannten Model, dass in Berlin lebt“, stand dort und daneben der Preis: 350EUR.
„Ein Schnäppchen“, sagte Trudi, die nun ganz die Verkäuferin näher gekommen war. „Neu kostet die Tasche fast 800 Euro!“
„Wer hat die denn freiwillig abgegeben?“, wollte Mimi wissen.
„Na, wie ich geschrieben habe, einem bekannten Model. Den Namen darf ich euch nicht verraten, Betriebsgeheimnis, aber ich glaube, die Gute hatte Streit mit ihrem Freund und wollte die Tasche deshalb loswerden. Sie war ziemlich durcheinander, als sie die Tasche gestern gebracht hat. Aber vielleicht war sie auch einfach nur unterzuckert, wie diese Magermodels manchmal so sind!“
„Na, so doll könnte ich mich gar nicht mit meinem Freund streiten, dass ich eine MJ Tasche weggeben würde“, erwiderte ich und streichelte über das Leder der Tasche. Dieses exklusive Stück würde ich nicht mehr hergeben. Diese Tasche musste ich einfach haben.
„Kannst du mal ausrechnen, wie viel ich für meine verkauften Sachen bekomme und was ich noch bezahlen muss, wenn ich den Rock, die Bluse, den Hosenanzug und die Tasche
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