Stachelzart
wollen. Warum wollte er mit mir sprechen? Warum hatte er nicht einfach alles auf sich beruhen lassen und sich um seine Model-Freundin gekümmert? Warum hatte er immer wieder versucht, mich anzurufen? War es vielleicht ein Fehler gewesen, Kay abzuwimmeln? Hätte ich doch mit ihm reden sollen?
Mimi, die nachsehen wollte wie es mir ging, platzte am Samstagvormittag mitten in meine Zettelwelt.
„Oh, mein Gott! Was ist das denn?“, rief sie entsetzt, als sie meine Wohnung betrat. „Geht es dir gut? Hier sieht es aus wie bei einem dieser Verbrecher aus dem Fernsehen, die ihr nächstes Attentat planen.“ Und scherzhaft fügte sie hinzu: „Willst du Kay etwa umbringen?“
„Mal sehen, ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich zuerst ihn oder zuerst Vera umbringen werde.“
„Wieso Vera? Was hat sie denn jetzt schon wieder ausgefressen?“
„Mich gestern Abend angerufen, um mich zu fragen, wie weit ich mit meiner Entschuldigung bei Kay gekommen bin. Sie hat nämlich für nächstes Wochenende ein Damenfrühstück geplant und möchte Kay und mich gerne einladen, um ihn ihren Damen vorzustellen.“
„Oh Mann, die ist echt so was von unmöglich! Und was hast du gesagt?“
„Dass sie sich ihr Frühstück an den Hut schmieren kann und dass ich mit ihr nie wieder über Kay sprechen möchte.“
Mimi schüttelte den Kopf über so viel Unverständnis. „Vera ist wirklich unglaublich!“
„Ihr geht es im Moment scheinbar zu gut. Sie war letzte Woche beim Arzt und der hat ihr bescheinigt, dass sie absolut topfit ist und ihr die Bergluft anscheinend gut getan hat. Jetzt konzentriert sie sich nicht mehr auf ihre Krankheit, sondern ganz darauf mich zu nerven“, klagte ich. „Ich habe im Moment alles so satt. Mit meinem Roman bin ich auch noch kein Stück weiter gekommen. Dafür habe ich das hier gemacht“, ich zeigte auf die Zettel, „ich dachte, wenn ich meine Gefühlswelt ordne, kann ich auch endlich wieder klar denken.“
„Wirklich gesund sieht das nicht aus“, Mimi betrachtete die Zettel. „Wirkt irgendwie ein bisschen merkwürdig dein Zettelchaos. Ich glaube, du musst hier mal raus. Wann bist du das letzte Mal in der City gewesen?“
„Keine Ahnung, ist schon etwas her. Im Moment verbringe ich die meiste Zeit in meiner Wohnung. Außer ab und zu Lebensmittel einkaufen, gehe ich gerade nicht wirklich gerne vor die Tür.“
Mimi klatschte in die Hände. „Schluss damit! Du gehst jetzt duschen, machst dich hübsch und dann fahren wir in die Stadt und gehen ein bisschen Shoppen.“
Ich seufzte. „Ach nein, lass mal. Ich fühle mich gerade nicht danach, shoppen zu gehen. Und Geld habe ich auch keines. Wenn mir mein Verlag demnächst auch noch kündigt, sieht es ganz schwarz aus.“
„Papperlapapp. Du ziehst dich jetzt an und wir fahren zu Trudi. Dort wirst du bestimmt etwas Preisgünstiges finden. Und anschließend lade ich dich auf einen Kaffee und die Himbeertorte ein, die du so gerne magst.“
Puh ! , dachte ich. Eigentlich habe ich keine große Lust in die Stadt zu fahren. Aber vielleicht hat Mimi Recht und ich sollte mal hier raus. Und Himbeertorte klingt ziemlich gut!
„Na gut“, nickte ich also. „Gib mir zwanzig Minuten. Ich mache mich fertig.“
Nachdem ich mich einigermaßen vorzeigbar gemacht hatte, beschlossen wir mit Mimis Cabrio in die Stadt zu fahren. Das Wetter war im Gegensatz zu meiner Gefühlswelt immer noch richtig gut und so konnten wir sogar mit offenem Verdeck fahren.
„Hat Henri sich noch mal bei dir gemeldet?“, fragte Mimi.
„Ja, wir schreiben uns ständig SMS“, erwiderte ich. „Ich bin so froh, dass wir noch Freunde sind. Vielleicht besuche ich ihn demnächst mal in Wien. Er will mir gerne die Stadt zeigen.“
„Wirklich schade, dass du dich nicht in Henri verlieben konntest. Er scheint ein ziemlich netter Kerl zu sein“, meinte Mimi. „Obwohl ich das am Anfang deiner Erzählungen von Kay König auch gedacht habe. So kann man sich täuschen.“
„Ja“, murmelte ich. „So kann man sich täuschen!“ Der kleine Stich, den es mir jedes Mal versetzte, wenn ich Kays Namen hörte, zeigte mir, dass ich leider noch nicht über ihn hinweg war. Nachts träumte ich von seinen Händen, seinem Körper, seinen Küssen und seinem frechen Mundwerk. Morgens wachte ich dann völlig benebelt auf und musste mich erst einmal zurück in die nüchterne Wirklichkeit kämpfen. Das einzig Gute war, dass die Medien das Interesse an unserer Geschichte tatsächlich
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