Stachelzart
unglücklicherweise ist der Job als Autorin ein sehr einsamer Job, bei dem man viel Zeit zum Nachdenken hat. Und wenn man als Autorin auch noch unter einer nicht enden wollenden Schreibblockade leidet, hat man genügend Zeit, um sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren.
So verbrachte ich also den Sonntag im Bett und konnte mich auch am Montag nicht aufraffen, aufzustehen. Immer wieder tauchte Kays Gesicht vor meinem geistigen Auge auf und sein unverschämt verführerisches, gnadenlos umwerfendes schelmisches Grinsen.
Oh, wie ich das vermisste!
Und seine Sprüche und seine Hände auf meinem Körper und seinen Geruch. Wie hatte es nur so weit mit mir kommen können? Und das, obwohl mein Verstand schon zu Beginn unseres Kennenlernens Alarm geschlagen hatte.
In der Sonntagsausgabe einer deutschen Zeitung mit vier Buchstaben erschien ein Artikel, der ein Foto von mir zeigte und in dem so ziemlich genau das stand, was ich den Journalisten am Samstag erzählt hatte. Scheinbar war die ganze Story nun zu langweilig geworden, deshalb fiel der Artikel nicht sehr umfangreich aus. Mit dem Text und dem Foto konnte ich eigentlich zufrieden sein, aber ich war es nicht. Mein Herz blutete, bei dem Gedanken daran, dass Kay und Svea immer noch? schon wieder? ein Paar waren. Kay hatte seine Anrufe eingestellt und ließ mich nun in Ruhe. Vermutlich hatte er den Artikel gelesen. Mimi rief ein paar Mal an und fragte, ob sie noch einmal vorbei kommen solle, aber ich wollte niemanden sehen. Nicht mal Mimi. Ich wollte mit meinem Schmerz alleine sein.
Am Montagmorgen rief zu allem Unglück auch noch mein Verlag an. Es sah nicht sehr gut für mich aus. Lange würde ich sie nicht mehr hinhalten können. Zum Glück fragte niemand nach der Geschichte mit Kay. Wenn meine Schreibblockade anhielt, würde ich mich über kurz oder lang doch mit dem Gedanken anfreunden müssen, wieder Bedienungsanleitungen zu verfassen.
Der einzige Lichtblick in meiner düsteren Stimmung war ein Anruf von Henri am Montagnachmittag. Ich hatte mich gerade aus dem Bett gequält, um mich mit Chips und Schokolade bewaffnet vor den Fernseher zu setzen, als Henri anrief. Er hatte - typisch der weltfremde Wissenschaftler - nichts von dem Medienspektakel um Kay und mich mitbekommen und es tat so gut, seine Stimme zu hören, dass ich ihm am Telefon mein ganzes Herz ausschüttete.
„Ich wusste gar nicht, dass du und Kay ein Verhältnis hattet“, hatte Henri erstaunt geantwortet. Scheinbar hörte ich mich am Telefon so schlecht an, dass Henri vorschlug, mich schon am Dienstagabend besuchen zu kommen.
„Meine Tagung beginnt Mittwochabend und geht bis Freitag. Eigentlich wollte ich mich dann nach der Veranstaltung am Freitag mit dir treffen, aber wenn du deine Couch für mich reservieren würdest, könnte ich auch morgen Abend zu dir kommen und eine Nacht bei dir bleiben. Was meinst du? Ich würde mich freuen“, hatte Henri vorgeschlagen und ich hatte begeistert zugesagt. Vielleicht war Henri genau die richtige Person, um mich aufzuheitern. Ein bisschen Abwechslung konnte ja nicht schaden. Und – hey – immerhin war Henri ein gutaussehnender Mann und interessanter Gesprächspartner.
Und da stand Henri nun, mit seiner typisch verstrubbelten Frisur in Jeans und Longsleeve mit einer kleinen Reisetasche in der Hand vor meiner Haustüre. „Henri, ich freue mich so, dich zu sehen!“, rief ich und fiel ihm um den Hals.
Henri drückte mich und lächelte. „Na, meine Liebe. Hat sich der Presserummel gelegt oder muss ich Angst haben, dass ich morgen auch mit Foto in der Zeitung bin?“
„Ha, ha, sehr witzig! Nein, ich denke, das ist jetzt Gottseidank vorbei“, antwortete ich und forderte Henri auf, doch erst einmal herein zu kommen. Ich dirigierte Henri in mein Wohnzimmer und bot ihm erst einmal etwas zu trinken an.
Wir stießen mit Sekt auf unser Wiedersehen an. Dann fingen wir an zu reden. Und redeten und redeten, über alles Mögliche. Es war so angenehm, sich mit Henri zu unterhalten, dass die Zeit wie im Fluge verging. Und schwuppsdiwupps waren zwei Sektflaschen leer. Ich holte schnell noch eine Flasche aus meinem Kühlschrank. Zum Glück hatte ich vorgesorgt und genügend Alkohol im Haus. Ich schenkte uns beiden nach.
Draußen war es mittlerweile schon dunkel geworden und ich hatte, um es uns gemütlich zu machen, ein paar Kerzen angezündet. Ein bisschen erinnerte mich das Ganze an Kays und meine Abende in den Bergen, als wir keinen Strom hatten und
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