Stadt Aus Blut
Horde fährt mit den Fingerspitzen in Amandas Höschen und fängt an, sie auszuziehen.
Ich schließe die Augen.
Ich kann die Augen schließen.
Und ich kann meinen Körper spüren.
Der Schmerz ist verschwunden.
Ich öffne die Augen.
– Hey.
Keiner beachtet mich.
– Hey!
Diesmal hören sie mich. Der Trottel fährt herum. In der Linken hält er ein Büschel von Marilees Haar und etwas weniger als eine Handvoll schlaffen Schwanz in der Rechten. Horde, der das Höschen seiner Tochter bis über die Beckenknochen gezogen hat, sieht ebenfalls auf. Ich lehne gekrümmt an den aufgetürmten Schulbänken.
– Hört auf.
Horde kräuselt die Lippen.
– Ich dachte, er wäre außer Gefecht?
– Bin schon unterwegs.
Der Gorilla taucht urplötzlich aus irgendeiner dunklen Ecke auf. Er packt mich an der Kehle und stößt mich in den Haufen Schulbänke. Holz zerbricht splitternd. Er drückt mich gegen die Wand. Seine Finger graben sich tief in meine Kehle.
Horde hebt die Hand.
– Bringen Sie ihn nicht um. Wir müssen ihn erschießen.
Der Schläger starrt mir in die Augen.
– Ich weiß.
Er ist sehr stark.
Predo versorgt seine Leute gut. Hat zumindest Terry gesagt. Nach dem Sekretariat kriegen die Gorillas den größten Anteil an Blut. Sie sind regelrecht übersättigt und haben nie Hunger. Predo achtet darauf, bescheiden und bedacht zu wirken, aber seine Handlanger sind brutal und grausam. Dieser hier ist stark, durchtrainiert und weiß genau, was er mit seiner Kraft alles anstellen kann.
Somit behält er die Oberhand, bis mein Herz explodiert.
Aber vorher hört es auf zu schlagen.
Jetzt bin ich endlich wirklich hinüber.
Gut so.
Ich bin ein Versager. Ich habe als Kind versagt, ebenso wie als erwachsener Mann. Als Revolutionär, Liebhaber und als guter Mensch. Das Einzige, was ich jemals war, ist eine unwichtige Figur in einem großen Spiel. Scheiße, ich wollte auch nie etwas anderes sein. Von Rechts wegen war mein Leben sowieso schon lange beendet.
Dann explodiert mein Herz und schlägt in einem irrsinnigen Rhythmus. Mein Leben ist doch noch nicht vorbei.
Hölle.
Die Welt um mich herum zittert und zerbricht, vibriert in einer Frequenz, die meine Sinneswahrnehmung übersteigt. Dann ist alles von Klarheit erfüllt.
Ich kann den Raum fühlen. Der gesprungene Beton der Wände ist ein glasklares Relief. Ich kann Gerüche und Gestank wahrnehmen und genau unterscheiden. Kein Geräusch entgeht mir. Weder Marilees Kreischen noch das sanfte Atmen der betäubten Amanda. Ich schmecke meine eigene Zunge und fühle die Rillen der Fingerabdrücke des Gorillas auf meiner Kehle.
Mein Herz schlägt wie ein Presslufthammer und droht, meine Brust zu sprengen.
Aber alles, jedes einzelne Ding – die Sprünge im Beton, der Geruch nach Scheiße und Hordes französischer Seife, das Kreischen und der leise Atem, der Geschmack meines eigenen Fleisches und die unverwechselbaren Hautrillen – verblasst gegen meinen Hunger.
Ich greife nach dem Handgelenk des Schlägers. Diese Bewegung erschüttert die Welt. Der Raum erbebt wieder, und alle Dinge darin ziehen Spuren von hellem Licht hinter sich her. Ich verfehle den Arm des Schlägers bei weitem. Viel zu schnell. Ich bin viel zu schnell. Ich schnappe nach Luft und bemerke, dass ich bereits atme, dass ich verzweifelt Sauerstoff einsauge, um meinem Herzen das zu geben, was es so dringend braucht. Ich warte darauf, dass der Gorilla seine Hand um meine Kehle schließt. Nichts. Er ist betäubt, von meiner Schnelligkeit völlig überrascht. Er weiß nicht, wie ihm geschieht. Ich starte einen neuen Angriff, diesmal langsamer. Meine Hand schließt sich um seinen Arm, und sein Griff löst sich von meiner Kehle. Er duckt sich und wartet mit dem Stilett in der Hand meinen nächsten Angriff ab.
Aber der Gorilla interessiert mich nicht. Er hat nichts, das ich brauchen könnte. Das Blut, das in ihm fließt, wird meinen Hunger nicht stillen können. Aber es gibt drei weitere Personen im Raum, die haben, was ich will. Die prall damit gefüllt sind.
Der Schläger wartet auf meinen Angriff, der niemals stattfindet. Im Vorübergehen stoße ich ihn mit der linken Hand in die Schulbänke. Wie eine Abrissbirne knallt er gegen die zerbröckelnde Ziegelsteinwand. Der tumbe Leibwächter ist mir am nächsten. Noch bevor er oder Horde überhaupt kapiert haben, was los ist, habe ich mich auf ihn gestürzt. Ich werde ihr Blut trinken. Sie werden sterben, ohne zu wissen, warum.
Ich bemerke einen
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