Stadt Aus Blut
Sicherheit ist. In den starken, liebevollen Armen ihres Vaters.
Diese Schmerzen wohnen in meinem Körper.
Mit einem Grunzen stolpert Marilee ins Blickfeld und versucht, das Gesicht ihres Mannes zu zerkratzen. Der Gorilla taucht auf, zerrt sie weg und wirft sie auf den Boden. Horde nickt, als hätte er genau so eine kindische Reaktion auf seine Geschichte erwartet.
– Drehen Sie sie um.
Der Gorilla rollt Marilee auf den Bauch, während Horde seine Tochter sanft in einen Stuhl setzt.
– Machen Sie ihren Nacken frei.
Der Gorilla wischt Marilee die Haare aus dem Nacken und zieht den Kragen ihrer Bluse herunter. Horde verschwindet für einen Moment und kommt mit einem kleinen schwarzen Würfel mit abgerundeten Ecken zurück. Er kniet sich neben seine Frau und hält ihr den Würfel vors Gesicht. Dann lässt er ihn aufschnappen und zeigt ihr den Inhalt.
– Ich habe es geschafft.
Sie stöhnt. Er nimmt einen weiß-rosa Gegenstand aus der Dose.
– Ich habe es sogar schon ausprobiert.
Er stellt den Würfel neben sich.
– Zweimal.
Er hält das weiß-rosa Ding zwischen Daumen und Zeigefinger.
– Erst an Whitney. Das war natürlich schon lange geplant.
Er legt das Ding auf seine Handfläche.
– Und später spontan an einem Jungen aus der Gosse.
Das weiß-rosa Ding öffnet sich wie eine Muschelschale.
– Jetzt ist es Zeit für einen neuen Versuch. Mit einer beträchtlich höheren Dosis, würde ich sagen.
Er hält sich das Ding vors Gesicht, öffnet weit den Mund und schiebt es hinein. Mit einem kräftigen Schließen seiner Kiefer bringt er das Gebiss in die richtige Position. Marilee wirft wie wild ihren Kopf von einer Seite zur anderen.
– Halten Sie sie fest.
Der Gorilla drückt Marilees Kopf auf den Boden. Horde beugt sich über das Genick seiner Frau und öffnet den Mund. Man kann die angespannten Muskeln und Sehnen auf seinem Hals erkennen, als er zubeißt.
Endlich habe ich den Überträger gefunden. Aber es ist zu spät.
Die Schmerzen und ich sind eins.
Dann umfängt mich gnädigerweise die Ohnmacht wie ein schwarzes Leichentuch.
Ich bin tot.
Und kann beruhigt auf mein Leben zurückblicken.
Meine erste Erinnerung führt mich ins Haus meiner Eltern. Ich war klein und hilflos und ihnen völlig ausgeliefert. Die Hände meiner Mutter und meines Vaters in der Dunkelheit, die mich herumschubsen. Gürtel, die als Peitschen gebraucht wurden. Die Narben sollten erst viel später heilen, als das Vyrus meinen Körper übernahm und den großen Hausputz veranstaltete. Meine Wunden wurden von einigen mitfühlenden Lehrern entdeckt. Ich erinnere mich, wie sich meine Mutter und mein Vater gegen die Polizisten wehren. Da habe ich sie zum letzten Mal gesehen. Dann eine Reihe von Pflegefamilien. Nie geht es länger als ein Jahr gut, und nie stellen sie eine großartige Verbesserung gegenüber meinen leiblichen Eltern dar. Ich kann mich an die Straßen erinnern, in denen ich anderen Kindern die Lektionen erteilte, die ich zu Hause gelernt hatte – grob zupacken, auspeitschen. Ich kann die Angst in ihren Augen sehen, und wie viel stärker ich mich dadurch fühlte. Ich lebte auf der Straße, der Häuptling eines kleinen Stammes. Dann wurde ich vergiftet, und die Angst und die Hilflosigkeit kehrten zurück. Terry trat in mein Leben, die Society, und mit ihnen so etwas wie ein Sinn. Jahre harter Arbeit und mühsamen Lernens, bis ich mich schließlich in der Welt zurechtgefunden hatte. Dann die Einsicht, dass ich einfach nur Terrys Lieblingswerkzeug war. Sein schärfstes Instrument, wenn es darum ging, Angst zu verbreiten. Seine Peitsche. Aber ich wollte keine Peitsche sein, also war ich wieder allein und kämpfte mich durch. Drecksjobs für die Koalition und die Society. Ich tat es einfach nur, um am Leben zu bleiben. Dann kam Evie. Ich erinnere mich, wie sie mir im Dunkeln zuflüsterte, was sie für mich empfindet, während draußen die Sonne schien. Und dass ich ihr im Gegenzug nur einen Berg Lügen auftischen konnte. Darüber, wer ich bin und was ich tue. Ich belog sie, um nicht allein zu sein. Dann die Jahre bis heute, Jahre am Abgrund. Der Balanceakt zwischen Evie und meiner Arbeit. Jeder Tag ein weiterer Schritt, ein Schritt in Richtung der Schwelle... zu etwas anderem. Ich erinnere mich an Whitney Vale. Der fast menschliche Ausdruck in ihren Augen, als ich ihr das Messer wegnehme, das Keuchen, als ich es ihr ins Genick ramme. Leprosy, dessen Bissspuren im Nacken nach Fäulnis riechen. Das Foto eines
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