Stadt der Engel
gehen müsse, habe auf einer Autofahrt nach London, die normalerweise noch zwei Stunden hätte dauern sollen, plötzlich, wiederum nach einer blendend hellen Lichterscheinung, am Himmel ein Objekt sich nähern sehen, mehreckig, grün, von weißem Licht wie von einer Hülle umgeben, das neben der Straße, auf der er fuhr, und zwar genau neben seinem Auto, gelandet sei. Und dies sei das letzte gewesen, woran er sich erinnern konnte. Als er wieder zu sich kam, habe er sich mit seinem Auto am Stadtrand von Londonbefunden, und auf seiner zuverlässigen Uhr seien genau fünf Minuten vergangen gewesen. Und wir sollten gar nicht erst anfangen, über Sinnestäuschungen zu spekulieren. Ihr Freund habe zwar mit niemandem über sein Erlebnis gesprochen, um nicht für verrückt gehalten zu werden, aber zwei Lastwagenfahrer, die zum selben Zeitpunkt in derselben Gegend unterwegs gewesen seien, hätten genau das gleiche erlebt und seien zur Polizei gegangen, um es zu melden, so daß eine Nachricht daraus wurde, die ihr Freund zwei Tage später in der Zeitung lesen konnte.
Die Barbecue-Ente war knusprig und gut gewürzt, der kalifornische Wein schmeckte, für eine kurze Zeit konnten Nachrichten und Gerüchte über das CENTER und über den Universitätsbetrieb die Runde fesseln, aber das Thema des Abends verschaffte sich wieder Gehör. Emily wollte von einer Frau wissen, die sogar von den Außerirdischen geschwängert worden sei. Zur Entbindung habe man sie gekidnappt, um ihr das Neugeborene wegzunehmen. Später habe man ihr das Kind noch einmal gezeigt, um ihr klarzumachen, daß man dieses Kind gebraucht habe zur Auffrischung des eigenen genetischen Materials, berichtete Emily ernsthaft, als sei das die selbstverständlichste Sache von der Welt. Und überhaupt, setzte sie hinzu, wer sage denn, daß es nur »gute« Außerirdische gebe, warum solle sich nicht auch »dort« die Trennung in Gut und Böse vollzogen haben, so daß »sie« ein Spiegelbild unserer eigenen Welt darstellen könnten, nur technisch vollkommener und menschlich unvollkommener.
Sie wandte sich an Marc: Müsse man das nicht für ziemlich gefährlich halten? Marc sagte, das könne man nicht wissen, er aber würde sich mit Freuden einem jeden Unternehmen anschließen, das zur Erforschung der Tiefen des Weltalls aufbrechen würde, und falls er zurückkehre und falls er Emily dann noch auf dieser Erde vorfinde, würde er ihr jede Auskunft geben, die sie anscheinend so brennend interessiere. Ja, sagte Emily, sie habe sogar schon versucht, von den Astronautendirekt zu erfahren, was sie im Weltall geträumt hätten. Einmal habe sie doch tatsächlich einen der Mondfahrer am Telefon gehabt und es gewagt, ihn danach zu fragen. Der aber habe sie barsch abgewiesen: Sie könne doch aus einem Felsen kein Blut pressen. Ein schrecklicher Satz, fand Emily, aber sie habe den Eindruck gehabt, der habe gelogen. Oder sie hätten ihnen auch die Träume abtrainiert. Bei sowjetischen Kosmonauten, meinte sie, wäre das vielleicht anders.
Die Möglichkeit, daß es außer uns keine vernunftbegabten Wesen im All gebe, wollten sie nicht in Erwägung ziehen, anscheinend scheuten sie das Einsamkeitsgefühl, das sie dann überfallen würde.
Ich weiß noch, daß ich in der Nacht danach einen der seltsamsten Träume hatte. Wir gehen zu zweit in einem welligen, grasbewachsenen, teils sumpfigen Gelände, ich schleppe eine der großen blanken Milchkannen, wie die Bauern sie in den Kuhställen verwenden, mir träumt, vor uns grast gemütlich eine dunkle Ziege, auf die wir zugehen, wohl um sie zu füttern, sie ist ganz zahm, mir träumt, sie läßt sich von mir streicheln, da hat sie auf einmal mit einem Schwups die riesengroße Milchkanne verschluckt, ich bin, im Traum, außer mir, das Tier wird diese Kanne niemals wieder herausbringen können, vorsichtig und ängstlich taste ich den Leib der Ziege ab und spüre tatsächlich die scharfen metallischen Ränder der Kanne unter ihrem Fell, die Ziege scheint sich noch nicht schlecht zu fühlen, ich bin schuld, sage ich im Traum, ich hätte besser aufpassen müssen, da fällt mir ein, die alten Griechen hatten eine heilige Ziege Amaltheia, vielleicht ist sie das, sage ich unglücklich, durch meine Schuld dem Verderben preisgegeben, da bewegt sich die Ziege auch schon von uns weg auf das sumpfige Gelände zu, und ehe wir sie einholen, retten können, versinkt sie vor unseren Augen klaglos im Sumpf, heruntergezogen von der schweren Metallkanne in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher