Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
und er spazierte unverrichteter Dinge davon.
Wahrscheinlich war er völlig fertig. Gestaltwandler verbrachten ihr Leben in der festen Überzeugung, dass sie niemals erkrankten. In der letzten Nacht war ihnen diese Illusion von Immunität geraubt worden.
Ich malte die Nase des Männchens schwarz aus und verpasste ihm eine wirre Stachelfrisur.
»Kate?«, meldete sich Jim am Telefon. Er erweckte den Eindruck, als würde er sein Geld mit Knochenbrechen verdienen, aber seine Stimme klang himmlisch. »Verdammt, warum hat es so lange gedauert, bis du zurückrufst?«
»Du sagst immer so liebe Sachen zu mir, Schnuckelchen«, antwortete ich. »Ich habe versucht, der Mary auf die Spur zu kommen, die Joshua auf dem Gewissen hat.«
Jim knurrte leise, aber er biss nicht zurück. »Er war erst vierundzwanzig Jahre alt. Ein Werkojote. Netter Kerl. Er hat gelegentlich für mich gearbeitet.«
Ich setzte dem Männchen noch zwei spitze Hörner an den Kopf. »Das tut mir sehr leid.«
»Biohazard sagte mir, er wäre mit Syphilis infiziert, die ihn von innen heraus zerfressen hat.«
»Das ist … richtig.«
»Sie wollen uns seine Überreste nicht aushändigen.«
Mir war sofort klar, bei wem er gewesen war. »Doolittle möchte eine Probe, um sie zu analysieren?«
»Ja.«
Doolittle war der Mediziner des Rudels und der beste Heilmagier, den ich jemals an den Rand des Wahnsinns hatte treiben dürfen. Er war der Grund, warum mein Freund Derek noch ein Gesicht hatte. Er war auch der Grund, warum ich überhaupt noch unter den Lebenden wandelte.
»Jim, Joshua war extrem ansteckend. Teile von ihm sind abgefallen. Sie haben sich in einen grauen Flaum verwandelt, der auf dem Boden herumgekrochen ist. Biohazard hat ihn bis auf das Skelett verbrannt, das sie anschließend in einen hermetisch versiegelten Sarg gelegt und ins Krematorium geschickt haben. Sie hätten eine Atombombe auf dem Parkplatz gezündet, wenn sie der Meinung gewesen wären, es ungestraft tun zu können.«
»Ist noch irgendetwas übrig?«
Ich stattete die Arme des Männchens mit langen Klauen aus. »Leider nicht. Gesetzbuch von Georgia, Paragra ph 3 8: Laut Gesetz über das Verhalten in übernatürlichen Notfällen, erlassen im Jahr 2019 in Georgia, hat Biohazard im eindeutigen Fall einer drohenden Epidemie erweiterte Befugnisse, die alles andere außer Kraft setzen, einschließlich des Anspruchs, den das Rudel auf sterbliche Überreste erhebt. Soweit ich weiß, haben sie nicht einmal selber eine Probe zurückbehalten. Es war extrem virulent, Jim. Es kroch über Salz und Feuer hinweg. Wenn die Seuche ausgebrochen wäre, hätte sie inzwischen die Hälfte der Stadtbevölkerung infiziert.«
Der Pudel hob den Kopf, tief in seiner Kehle ertönte ein warnendes Knurren.
Ich sah ihn an.
»Du bekommst Besuch« , flüsterte Maxines Stimme in meinem Kopf.
»Ich muss gleich auflegen, also alles Weitere in Kurzfassung«, murmelte ich ins Telefon. »Es waren noch andere Gestaltwandler in der Kneipe. Warum sind sie abgehauen?«
Er zögerte.
»Jim. Ich dachte, wir wären uns einig. Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht offen zu mir bist.«
»Sie wurden hinausgetrieben. Dieser Mistkerl hat irgendwas angestellt, das sie verrückt gemacht hat.«
»Wo sind sie jetzt? Ich muss sie befragen.«
»Du kannst Maria nicht befragen. Sie wurde ruhiggestellt.«
»Und die anderen?«
Er machte eine winzige Pause. »Wir suchen noch nach ihnen.«
Ach du Scheiße. »Wie viele werden vermisst?«
»Drei.«
In der Stadt rannten drei panische Gestaltwandler herum, und jeder war ein Amokläufer in Wartestellung. Wenn sie zu Loups wurden, zogen sie eine Blutspur durch die Straßen. Konnte es noch schlimmer kommen?
Eine ausgemergelte Gestalt huschte mit übernatürlicher Schnelligkeit in mein Büro und hockte sich auf den Besucherstuhl. Einst mochte sie ein Mensch gewesen sein, aber nun war sie eine Kreatur: hager, haarlos, mit drahtigen Muskeln, als hätte jemand sie ein paar Tage lang in einen Entfeuchter gesteckt, bis sämtliches Fett und jede Weichheit verschwunden war. Der Vampir starrte mich mit rot glühenden Augen an, in deren Tiefen ich einen furchtbaren Hunger wahrnahm.
Der Kampfpudel brach in wildes Gebell aus.
Warum hatte ich mir überhaupt die Mühe gemacht, diese Frage zu stellen?
»Noch einmal: Es tut mir sehr leid. Bitte übermittle seiner Familie mein herzliches Beileid«, sagte ich. »Wenn ich irgendetwas Hilfreiches tun kann, bin ich für dich da.«
»Ich weiß«, sagte
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