Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
auf. Hugh war während des letzten Kampfes im Publikum gewesen. »Ja, ich wusste es.«
»Du hast ein unzerbrechliches Schwert zerbrochen, das aus Rolands Blut geschmiedet wurde. Hugh ist Rolands Kriegsherr. Er wird es nicht einfach dabei bewenden lassen, Kate.«
»Das ist mir klar.« Ich trank von meinem Tee. »Ich hatte keine andere Wahl.«
»Natürlich hattest du die. Du hättest abhauen können, bevor der Kampf losging. Du hättest keinen Selbstmordversuch unternehmen müssen, um das Schwert zu zerbrechen.«
»Ich hatte nicht vor, mich umzubringen«, knurrte ich.
Andrea winkte ab. »Details. Der Punkt ist, dass du dich geopfert hast, um uns zu retten. Für mich schon das zweite Mal.«
»Es war meine Schuld, dass du in der Arena warst. Ich hatte dich gebeten mitzukommen.« Und danach eine Menge schlechtes Gewissen mit mir herumgeschleppt.
Andrea schüttelte den Kopf. »Ich kam, weil die Rakshasas getötet werden mussten, wenn das Rudel überleben sollte, und weil ich ziemlich gut im Töten bin. Ich bin vielleicht nicht genauso wie alle anderen Gestaltwandler, und manche verachten mich vielleicht sogar, aber mir wachsen trotzdem große Zähne und ein Fell, Kate. Du bist gekommen, weil du deinen Freunden helfen wolltest. Du bist meine Freundin, und jetzt will ich dir helfen. Und ich werde dir auch weiterhin helfen. Dagegen kannst du nichts machen.«
Ich bedachte sie mit einem strengen Blick. »Halt dich da raus. Ich brauche deine Hilfe nicht.«
Sie schnaubte. »Dumm gelaufen. Du kannst dir nicht immer aussuchen, was deine Freunde für dich tun.«
Ich stellte die Teetasse ab und rieb mir das Gesicht. In Savannah rotierte Voron in seinem Grab. Was sollte ich nur mit ihr machen?
Töte sie , drang Vorons Stimme aus den Tiefen meines Gedächtnisses. Töte sie jetzt, bevor sie dich verraten kann.
Ich zerschlug den Gedanken und warf die Stücke fort.
»Wenn ich Hugh wäre, würde ich auf eine Gelegenheit warten, dich zu schnappen und irgendwohin zu bringen, wo ich dich in aller Ruhe befragen könnte«, sagte Andrea.
»Nein. Das würde er nicht tun. Er würde so viele Informationen wie möglich über mich sammeln, und dann, wenn er zufrieden ist mit dem, was er hat, würde er an mich herantreten. Eine Entführung ist nicht sein Stil.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
Ich stand auf, blendete Vorons Geisterstimme aus, die mir Warnungen zubellte, ging in das überzählige Schlafzimmer, aus dem Greg eine Bibliothek und Abstellkammer gemacht hatte, und holte ein altes Fotoalbum und ein in Leder gebundenes Notizbuch. Wenn ich sie überzeugen konnte, sich aus der Sache herauszuhalten, wäre es die Mühe allemal wert. »Ich bin mir sicher, weil ich weiß, wie Hugh denkt.«
Ich legte das Album auf den Tisch, öffnete die richtige Seite, nahm ein Messer und schnitt vorsichtig die unsichtbare Naht auf, die die beiden Seiten zusammenhielt. Zwei dünne Blätter kamen ans Licht. Ich reichte Andrea das erste, ein Foto.
Sie starrte es an. Ihre Stirn legte sich in tiefe Falten. »Ist das Hugh d’Ambray als Jugendlicher?«
Ich nickte.
Sie betrachtete das Foto genauer. »Er hat sich zu einem hübschen Mistkerl gemausert. Wer ist das neben ihm?«
»Voron.«
»Voron der Rabe? Rolands Ex-Kriegsherr?« Andrea machte große Augen. »Ich dachte, er wäre gestorben.«
»Ist er auch, irgendwann später.« Ich sah sie an. »Er hat mich aufgezogen. Er war mein Stiefvater.«
»Heiliger Strohsack!« Sie sah mich blinzelnd an. »Das erklärt zumindest deine Vorliebe für …« Sie fuchtelte wild mit dem Teelöffel herum, als wollte sie etwas davon abschütteln.
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Für was?«
»Den Schwertkampf.«
Ich schob ihr das zweite Foto rüber. Darauf stand Voron, der den Arm um eine zierliche Blondine gelegt hatte, neben Greg und Anna, der Ex-Frau meines Vormunds.
»Deine Mutter?« Andrea zeigte auf die Blondine.
»Das ist das einzige Foto, das ich von ihr habe. Ich fand es nach Gregs Tod zwischen seinen Sachen. Roland hat meine Mutter sehr geliebt. Man könnte meinen, nach sechs Jahrtausenden hätte er jede Fähigkeit zu menschlichen Gefühlen verloren, aber wie Voron sagte, ist Roland genauso flatterhaft wie jeder andere. Er hat sich in meine Mutter verliebt. Er wollte sie glücklich machen, und sie wollte ein Kind, also hat er trotz seines Schwurs, keine weiteren Monstrositäten zu zeugen, beschlossen, es noch einmal zu versuchen.«
»Was hat er gegen Kinder?« Andrea hielt das Foto meiner
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