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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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dunkelroten Sitzkissen gepolstert waren. Die Wände in beruhigendem Cremeweiß erhoben sich bis zur kuppelförmigen Decke, die mit goldenen Mustern verziert war. An der Ostwand, vor den Bänken, erhellte eine schwache Feenlampe eine erhöhte Plattform mit dem heiligen Schrein, einem vergoldeten Schrank, der die Schriftrollen der Torah enthielt.
    Der Kontrast zum trostlosen äußeren Eindruck war frappierend. Ich hätte mich gern auf das nächste Kissen gesetzt, die Augen geschlossen und einfach nur eine Zeit lang dagesessen. Stattdessen folgte ich Rabbi Melissa durch den Gang zu einer schmalen Treppe, die in einen kleinen Raum führte. Ein rechteckiges Bad befand sich am hinteren Ende – eine Mikwe, ein Ort, den orthodoxe Juden aufsuchten, um sich zu reinigen.
    Melissa näherte sich der rechten Wand, legte eine Hand darauf und murmelte etwas. Ein Teil der Wand glitt zur Seite und offenbarte einen Durchgang, der sich in der Ferne verlor. Die blassblauen Röhren von Feenlampen erhellten die Steinwände. »Da wären wir«, sagte sie. »Gehen Sie einfach geradeaus. Es ist nicht zu verfehlen.«
    Ich trat ein. Die Wand schloss sich hinter mir. Jetzt ging es nur noch vorwärts.
    *
    Der Korridor führte mich in einen runden, leeren Raum. Ich durchquerte ihn und lief weiter. Wenig später kam ein zweiter runder Raum. Dieser war mit einem schweren Schreibtisch aus Stein ausgestattet, hinter dem zwei Männer standen. Der erste war Mitte vierzig, groß und hager. Er hatte ein langes Gesicht, das durch einen kurzen Bart und eine hohe Stirn noch länger wirkte, und intelligente Augen, die hinter einer Nickelbrille funkelten. Der zweite war vielleicht zehn Jahre älter, gute fünfundsiebzig Pfund schwerer, und hatte das kantige Kinn und die skeptischen, lebensüberdrüssigen Augen eines Polizisten.
    Der größere Mann kam hinter dem Schreibtisch hervor, um mich zu begrüßen. »Hallo! Ich bin Rabbi Peter Kranz. Das ist Rabbi John Weiss.«
    Wir schüttelten uns die Hände, und ich zeigte ihnen meinen Ordensausweis. Sie sahen ihn sich sehr genau an und gaben ihn mir dann zurück.
    Peter platzierte seinen langen Körper hinter dem Schreibtisch. »Entschuldigen Sie bitte die Kerkeratmosphäre.«
    »Kein Problem. Ich habe schon schlimmere Kerker gesehen.«
    Die beiden schienen diese Bemerkung erst einmal verdauen zu müssen. Ich blickte mich um. Hinter ihnen waren die Wände des Büroraums mit hebräischen Schriftzeichen verziert, eine Reihe nach der anderen in dicken schwarzen Linien. Der Text zog meinen Blick an. Ich bemühte mich, nicht zu gaffen.
    »Wie mir mitgeteilt wurde, wünschen Sie Zugang zum Kreis.« Peter verschränkte die langen Finger auf der Tischplatte.
    »Ja.«
    »Wir wüssten gerne den Grund.«
    Ich erklärte die Sache mit der Steel Mary und zog den Beutel mit dem Pergament hervor.
    Die beiden Rabbis sahen sich an. Ich blickte zur Wand. Irgendwas war seltsam an dem hebräischen Text. Es juckte mir beinahe in den Augen, als ich ihn betrachtete. Wenn ich auf eine bestimmte Art blinzelte …
    »Ihnen ist natürlich klar, dass wir mit dem Orden kooperieren möchten«, sagte Peter. »Allerdings geben wir die Existenz des Kreises nicht öffentlich bekannt. Man könnte sogar sagen, dass wir uns bemühen, ihn geheim zu halten. Es würde uns brennend interessieren, wie Sie davon erfahren haben.«
    Wenn ich Saiman erwähnte, würde ich sofort rausfliegen. »Der Orden hat seine Quellen.«
    »Natürlich, natürlich«, sagte Peter.
    Wieder tauschten die Rabbis einen Blick.
    Die schwarzen Linien schoben sich übereinander, wie bei den alten Stereogrammen, in denen sich ein dreidimensionales Bild innerhalb eines Musters verbarg. Mein Gehirn schaltete um, und plötzlich sah ich ein Wort, das in einer Sprache der Macht geschrieben war. Amehe . Gehorche.
    Das Wort brannte sich in meine Hirnwindungen. Ich verfügte bereits über dieses Wort, aber es sirrte trotzdem in meinem Geist, als ich es geschrieben sah.
    Es passte, dass es auf einer Wand stand, die mit den Namen Gottes übersät war. Rabbis spezialisierten sich auf geschriebene Magie, und bei Jahwe ging es, wenn man zugrunde legte, was in der Torah gesagt wurde, in erster Linie um Gehorsam.
    »Unsere Leute studieren viele, viele Jahre, um Zugang zum Kreis zu erhalten«, sagte Weiss. »Es geht nicht an, dass irgendjemand dahergelaufen kommt und ihn sehen will.«
    »Ich bin nicht irgendjemand. Ich komme mit einem Ordensausweis und einem scharfen Schwert, und ich bin jemand, der

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