Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Bäumen stehen große hölzerne Götzen. Sie sind alt. Den Schnitzereien sieht man den Zahn der Zeit an. Diese Götzen wandeln sich und verändern ihre Gestalt. Eine sieht aus wie ein alter Mann, aber auch wie ein Bär mit Hörnern, und er hält etwa s … eine Untertasse voller Wasser vielleicht. Ein anderer alter Mann steht auf einem Fisch. Ich glaube, er hält ein Rad in der Hand. Ein Mann mit drei Gesichtern, die Augen bedeckt, sitzt in dunklem Schatten. Ich kann ihn kaum erkennen.«
Der Erste war Veles, der Dritte Triglav. Aus dem slawischen Pantheon. Den Zweiten würde ich nachschlagen müssen.
»Ein Mann steht vor ihnen, umgeben von seinen Kindern. Sie sind sehr böse . Sie passen nicht dorthin, sind weder Mensch noch Tier, weder lebendig noch tot. Und hinter ihm stehen seine Diener. Sie riechen förmlich nach Untod.« Anna atmete tief durch. »Der Mann steht da und onaniert. Rechts davon kommt immer wieder etwas flüchtig ins Bild, ein Kind vielleicht? Links daneben sitzt du im Schneidersitz im Gras und isst von einem Leichnam.«
Entzückend.
»Ich weiß, dass Greg tot ist«, fuhr sie fort. »Und ich weiß, dass du die Mörder suchst. Du musst das sein lassen, Kate. Ich weiß, du wirst nicht auf mich hören, aber ich muss dich warnen. Das ist nicht gut, Kate. Das ist ganz und gar nicht gut.«
Kapitel 3
I ch erwachte acht Stunden später, erschöpft und von einer Migräne geplagt. Ich hatte Anna noch anrufen wollen, aber irgendwie war ich stattdessen ins Bett gefallen, und dann hatte mein Körper mein Hirn für die ganze Nacht ausgeknipst.
Das Telefon funktionierte nicht mehr. Ich saß auf der Bettkante und starrte es an. Bisher hatte ich einige Angaben zu den paar Haaren, aber keine Probe davon; ich hatte einige Linien, die durchaus auch das Ergebnis einer Fehlfunktion eines M-Scanners sein konnten; und ich hatte den Namen einer Nachtgestalt, mir unter Zwang verraten von einem Gesellen des Volkes, der so ziemlich alles unternommen hätte, um mich loszuwerden. Und darüber hinaus hatte ich das, was wahrscheinlich ein Katzenhaar auf einem toten Vampir war, und das konnte das Rudel und das Volk auf Kollisionskurs bringen. Ich stellte mir zwei Kolosse vor, die quer durch die Stadt aufeinander zurannten, wie Monster aus einem alten Horrorfilm, und ich als Mücke in der Mitte.
Es würde ein Blutbad geben, das ein Großteil der Stadt nicht überstehen würde. Und daher bestand die Aufgabe nicht darin, es zu überleben, sondern es zu verhindern.
In meinem Tagtraum trat die Mücke dem einen Koloss in die Weichteile und verpasste dem anderen einen fiesen Aufwärtshaken.
Ich nahm den Telefonhörer ab. Das Telefon funktionierte immer noch nicht. Ich fluchte und zog mich an.
Eine Stunde später schlüpfte ich in Gregs Büro. Niemand funkelte mich wütend an und fragte, warum der verdammte Fall noch nicht gelöst sei oder warum ich so spät käme. Dieser Mangel an Dramatik war eine ziemliche Enttäuschung.
Ich sah Gregs Daten durch. Seine Schränke enthielten keine Akte, die mit »Corwin« beschriftet gewesen wäre, aber im letzten Schrank stieß ich auf einige Mappen, die mit einem großen Fragezeichen versehen waren, und die sah ich durch, in der vagen Hoffnung, auf irgendetwas zu stoßen. Wenn das nichts brachte, blieb mir nichts anderes übrig, als mir irgendwelche wildfremden Leute auf der Straße zu greifen und sie anzuschreien: »Kennen Sie Corwin? Wo steckt er?«
Meine Hoffnungen schwanden immer mehr, während ich weiterblätterte, und als ich dann darauf stieß, hätte ich es fast nicht bemerkt. Auf einer Seite stand »Corwin« hingekrakelt, daneben zwei Skizzen. Eine zeigte, sehr plump gezeichnet, einen Handschuh, aus dessen Fingerknöcheln scharfe Klingen ragten. Die zweite war eine seltsame Kritzelei vor einem dunklen Halbkreis. Ich starrte dieses Gekritzel an. Es sagte mir nichts.
Das Telefon klingelte.
Ich sah es an. Es klingelte wieder. Ich fragte mich, ob ich rangehen sollte. Da meldete sich die Gegensprechanlage, und Maxines Stimme sagte: »Sie sollten rangehen. Es ist für Sie.«
Woher wusste sie das? Ich nahm den Hörer ab. »Ja?«
»Hi, Süße.« Es war Jim.
»Ich bin beschäftigt.«
Ich drehte die Akte zur Seite und betrachtete weiter das Gekritzel. Ich erkannte immer noch nichts darin.
»Was du nicht sagst.«
»Ja. Keine Zeit für irgendwelche Jobs.«
»Deshalb rufe ich nicht an.«
Ich drehte die Akte auf den Kopf. »Ich bin ganz Ohr.«
»Jemand will sich mit dir treffen«,
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