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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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nicht, welcher Art sein Tier angehörte. Nur wenige Leute außerhalb des Rudels behaupteten, ihm schon einmal begegnet zu sein, und keiner unter ihnen schien willens, über das Erlebnis zu berichten. Das Einzige, was man mit Sicherheit von ihm wusste, war, dass er mächtig war. Nach letzten Zählungen unterstanden ihm allein in Atlanta dreihundertsiebenunddreißig Gestaltwandler. Und er war nicht etwa ihr Oberhaupt, weil er der Klügste oder Beliebteste von ihnen gewesen wäre; nein, diese dreihundertsiebenunddreißig Gestaltwandler unterstanden ihm, weil er ohne jede Frage der Stärkste von ihnen war. Das Recht des Stärkeren gab ihm die Macht.
    Unter den Gestaltwandlern bildeten die Wölfe die größte Gruppe. Dann kamen die Füchse, die Schakale, die Ratten und schließlich die Hyänen und Raubkatzen: Luchse und Geparde. Es gab auch die exotischeren Arten: Werbüffel und Werschlangen, aber die Büffel bildeten im Mittelwesten eine eigene Herde, und die Schlangen waren Einzelgänger. All diese Tierformen waren größer als ihre natürlichen Pendants. Ein durchschnittlicher Gestaltwandler in Wolfsgestalt brachte locker hundert Kilo auf die Waage, während der normale Wolf draußen in der freien Wildbahn vierzig Kilo weniger wog. Vom biologischen Gesichtspunkt aus war die Verwandlung eines fünfundsiebzig Kilo schweren Menschen in ein hundert Kilo schweres Tier nicht erklärbar, aber andererseits: Wenn es um Gestaltwandel ging, zählten die Gewichtsschwankungen noch zu den unerheblichsten Anomalien. Magie ließ sich nicht nach wissenschaftlichen Maßstäben messen und erklären, denn die Magie erwuchs ja gerade daraus, dass sie die Naturgesetze aufhob, welche die Grundlage der herkömmlichen Wissenschaften bildeten.
    Ein weiteres Heulen zerriss die Stille, immer noch zu weit entfernt, um eine Gefahr darzustellen. Der Herr der Bestien, der Anführer, das Alphatier, musste seine Stellung ebenso durch seinen Willen wie mit Gewalt verteidigen. Er musste auf jede Herausforderung seiner Herrschaft reagieren, und daher war es unwahrscheinlich, dass er sich in einen Wolf verwandelt hatte. Ein Wolf hätte gegen eine Raubkatze nur eine geringe Chance. Wölfe jagten in Rudeln, brachten ihrer Beute blutige Wunden bei und hetzten sie dann bis zur völligen Erschöpfung, wohingegen Katzen einzelgängerische Killer waren, dazu bestimmt, schnell und präzise zu töten. Nein, der Herr der Bestien musste eine Katze sein, ein Jaguar oder Leopard. Vielleicht auch ein Tiger, obgleich alle bekannten Wertiger in Asien aufgetreten waren und ihre Gesamtzahl sich an zwei Händen abzählen ließ.
    Gerüchteweise hatte ich von dem Kodiak von Atlanta gehört, der Legende nach ein riesiger, von Narben übersäter Bär, der die Straßen nach Verbrechern aus den Reihen des Rudels absuchte. Auch im Rudel gab es, wie in jeder gesellschaftlichen Organisation, Gesetzesbrecher, und der Kodiak war ihr Scharfrichter. Möglicherweise also hatte sich Majestät in einen Bären verwandelt. Mist. Hätte ich doch ein Glas Honig mitgebracht.
    Mein linkes Bein wurde müde. Ich wechselte das Standbein.
    Ein leises, warnendes Knurren ließ mich mitten in der Bewegung erstarren. Es drang aus einem dunklen, klaffenden Loch in dem Gebäude auf der anderen Straßenseite und hallte von dort durch die Ruinen, Erinnerungen an jene Vorzeit heraufbeschwörend, in der die Menschen jämmerliche, pelzlose Geschöpfe gewesen waren, die sich um die schwachen Flammen des allerersten Lagerfeuers sammelten und mit verängstigtem Blick in die Nacht hinausschauten, die monströse, hungrige Mordwesen barg. Mein Unterbewusstsein schrie in Panik auf. Ich hielt es in Schach und ließ meine Nackenwirbel knacken, ganz langsam, erst links, dann rechts.
    Ein schlanker Schatten tauchte in meinem Blickfeld auf. Links über mir streckte sich ein anmutiger Jaguar auf einem Betonblock, eine elegante Statue, vom flüssigen Metall des Mondscheins umhüllt.
    Homo panthera onca . Der Killer, der seine Beute mit einem einzigen Sprung reißt.
    Hallo, Jim.
    Der Jaguar sah mich aus bernsteinfarbenen Augen an. Seine Katzenlippen streckten sich zu einem erstaunlich menschlichen Grinsen.
    Sollte er doch lachen. Er wusste ja nicht, was hier auf dem Spiel stand.
    Jim wandte den Kopf ab und begann, sich eine Pfote zu putzen.
    Mein Schwert in der Hand, ging ich über die Straße und trat durch die Lücke im Gebäude. Die Dunkelheit verschlang mich von einem Moment zum anderen.
    Dann bemerkte ich den in der Luft

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