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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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stopfte.
    In der Wohnung war es still. Alles dort erinnerte mich an Greg. Der Ort war von seiner Lebenskraft durchdrungen, von allem, was ihn zu dem gemacht hatte, der er war. Er war wie mein Vater gewesen: gerade heraus, unbeugsam, hatte getan, was er zu tun hatte, und sich nie Sorgen gemacht, wie er vor den Augen der Welt dastand.
    Ich konnte diese Sache nicht auf sich beruhen lassen. Ich würde diejenigen finden, die ihn getötet hatten, und sie zur Rechenschaft ziehen, wenn nicht um Gregs, dann um meinetwillen, denn sonst würde ich nicht mehr in der Lage sein, mir in die Augen zu blicken.
    Wenn einen das Leben in eine Ecke drängt und einem keinen Ausweg mehr lässt, wenn man von seinen Freunden, den geliebten Menschen, der eigenen Familie im Stich gelassen wird, wenn man wirklich am Ende der Fahnenstange angelangt ist – panisch, einsam, kurz davor, wahnsinnig zu werden –, würde man alles dafür geben, wenn die eigenen Probleme verschwinden würden. Und dann kommt man in seiner Verzweiflung in die Unicorn Lane und sucht sein Heil in der dortigen Zauberkraft und den dortigen Geheimnissen. Man ist bereit, alles dafür tun, jeden Preis dafür zahlen. Die Unicorn Lane nimmt einen auf, hüllt einen in ihre Macht, löst alle Probleme, die man nur hat, und fordert ihren Preis dafür. Und dann erfährt man, was das Wörtchen »alles« wirklich bedeutet.
    Jede Großstadt hat so eine Gegend, ein düsteres, gefährliches Viertel. Unicorn Lane war dreißig Straßenblocks lang und acht breit und drang wie ein Dolch durch das, was früher einmal Midtown Atlanta gewesen war. Halb eingestürzte Wolkenkratzer standen dort, stumme Zeugen der Vergangenheit, die Ruinen des GLG Grand, des Promenade II und des One Atlantic Center, von der Magie bis aufs Gerippe angenagt. Trümmer verstopften die Straßen, und die Abwässer aus den geborstenen Leitungen flossen dort zu stinkenden Strömen zusammen. Dort sammelte sich die Magie, blieb auch, wenn sonst überall längst wieder die Technik herrschte, und abscheuliche Wesen, die das Tageslicht scheuten, fanden dort inmitten der ausgeweideten Gerippe ehemaliger Wolkenkratzer Zuflucht. Wahnsinnige Magier, heimtückische Loups, die sich davor fürchteten, dass das unversöhnliche Rudel kurzen Prozess mit ihnen machen würde, Satanisten und einzelgängerische Nekromanten – sie alle flohen nach Unicorn Lane, denn wenn sie es dort schafften und dort überlebten, würde kein Gesetzeshüter sie mehr vertreiben. Unicorn Lane gab niemanden wieder her.
    Ein toller Treffpunkt.
    Ich fuhr die Fourteenth Street hinauf, parkte Karmelion in einer stillen Seitenstraße und ging die restlichen zwei Blocks zu Fuß. Vor mir ragte eine zerbröckelnde Mauer auf, der jämmerliche Versuch irgendeines Idioten von Stadtrat, Unicorn Lane in Schach zu halten. Ich kletterte über die Trümmer. Ein großer Betonblock versperrte mir den Weg. Er sah glatt aus, fast rutschig, und ich sprang darüber hinweg.
    Hier schnappte und heulte selbst der Mondschein wie ein tollwütiger Hund, und die Magie biss ohne Vorwarnung zu.
    Fünf Minuten später verriet mir ein Schild an einem verlassenen Haus, dass ich an meinem Ziel angelangt war, an der Ecke Unicorn Lane, Thirteenth Street. Vor mir starrte ein alter Wohngebäudekomplex aus leeren Fenstern auf die Straße hinunter. Rechts sah man die Beton- und Stahltrümmer eines eingestürzten Bürogebäudes. Die Trümmer versperrten die Straße, begruben das Pflaster unter Schutt. Nach links war die Straße frei, aber in Dunkelheit gehüllt. Ich blieb stehen, wartete und lauschte.
    Der Mondschein ergoss sich über die Ruinen. Tintenschwarze Dunkelheit sammelte sich in den Nischen und Höhlungen, stieg daraus empor, mischte sich mit dem Licht, brachte Halbschatten hervor und ließ die Grenze zwischen Realität und Illusion verschwimmen. Diese unheimliche Stadtlandschaft wirkte wie eine Kulisse, so als wären die eingestürzten Gebäude verschwunden und hätten nur trügerische Schatten ihrer selbst hinterlassen. Vor mir, in den Tiefen der Unicorn Lane, heulte etwas, lieh einer gemarterten Seele eine Stimme. Mir stockte das Herz.
    Jemand oder etwas beobachtete mich aus dieser Dunkelheit heraus. Ich spürte die Blicke wie eine körperliche Last. Die Augenblicke zogen sich hin, Minuten im Schlepptau. Nach einer Weile sah ich auf meine Armbanduhr. Sie war stehen geblieben.
    Irgendwo dort in der Dunkelheit schlich der Herr der Bestien herum. Ich wusste nicht, wie er aussah. Ich wusste

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