Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
einen Vorwand, Bono. Los, gib mir einen Vorwand.«
Die Magie sammelte sich um mich, strömte aus der ganzen Umgebung herbei. Wenn die Magie eine Farbe gehabt hätte, hätte ich nun in einem roten Whirlpool gesessen. Slayer leuchtete silbern, gespeist von meiner Wut. Es wollte in warmes Fleisch schneiden, und ich war drauf und dran, es ihm zu gestatten.
Bono blinzelte. Er spürte das Herbeiströmen der Magie und sog hektisch Luft ein. »Du bist verrückt.«
» Vollkommen verrückt.«
Die Anspannung wich aus seinem Gesicht, und da war mir klar, dass wir von einer Klippe zurückgetreten waren. Dieser Kampf würde heute nicht stattfinden.
Bono beugte sich vor. »Und was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass wir mit dem Tod des Wahrsagers überhaupt nichts zu tun haben? Und selbst wenn wir etwas damit zu tun hätten, müssten wir überhaupt nicht mit dir darüber sprechen.«
Das berühmte »Wir«. Ich ließ mir das kurz durch den Kopf gehen und sagte dann: »In diesem Fall würde ich aufstehen, an den Tresen gehen und zwei Telefongespräche führen. Als Erstes würde ich den Protektor des Ordens anrufen, für den ich jetzt arbeite, und ihm sagen, dass einer von Ghasteks Vampiren an der Ermordung seines Wahrsagers beteiligt war. Ich würde ihm ferner sagen, dass man versucht hat, sein Brandzeichen zu verbergen – was verboten ist – und dass Ghasteks Geselle sich geweigert hat, mit mir über die Angelegenheit zu sprechen, und gedroht hat, mich zu töten. Und anschließend würde ich Ghastek anrufen und ihm mitteilen, dass ich den Grund dafür kenne, dass rings um ihn gerade die Welt in die Brüche geht. Und dann würde ich ihm darlegen, dass du dieser Grund bist.«
Er starrte mich an. »Ich dachte, wir würden uns gut verstehen. Wir nicken einander zu, wenn wir uns irgendwo begegnen. Wir gehen uns gegenseitig nicht auf die Nerven. Ich habe dich an meinem Wissen teilhaben lassen.«
Ich zuckte die Achseln.
»Das würdest du mir nicht antun«, sagte er mit großer Gewissheit. »Du weißt, was Ghastek mit mir machen würde. Und du bist doch ein netter Mensch.«
»Was genau in meinem bisherigen Leben bringt dich auf die Idee, ich sei ein netter Mensch?«
Darauf wusste er keine Antwort. Er schüttelte den Kopf. »Wieso ausgerechnet ich?«
»Wieso nicht? Sag mir, was ich wissen will, und ich mache mich vom Acker. Falls nicht, werde ich dir auf die eine oder andere Weise sehr wehtun.«
Jetzt hatte ich Bono in die Ecke getrieben. Ihm blieb nur noch, den Ring zu verlassen. »Sie werden Schatten genannt«, sagte er, und sein hübsches Gesicht blickte resigniert. »Vampire mit verborgenem Brandzeichen. Ghastek ist nicht der Einzige, der sie einsetzt, aber er setzt seine sehr häufig ein, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Und was tat dieser?«
»Er beschattete den Wahrsager. Warum weiß ich nicht.«
»Und wer hat ihn gelenkt?«
Bono zögerte. »Merkowitz.«
»Und was hat er gesehen?«
Bono breitete die Hände aus. »Das weiß ich genauso wenig wie du. Weißt du, was mit dem Lenker geschieht, wenn der Vampir, den er lenkt, stirbt?«
Ich hatte eine ungefähre Vorstellung davon, aber es konnte ja nie schaden, mehr zu erfahren. »Klär mich auf.«
»Wenn er sich nicht sehr vorsieht, erleidet er einen Todesschock. Das bedeutet, er glaubt, sein eigener Kopf wäre abgerissen worden, und das versetzt das Hirn in einen Zustand völliger Verwirrung. Hinzu kamen noch die Magie, die der Wahrsager und der Täter ausgestrahlt haben, und jetzt stell dir Markowitz vor. Er ist vollkommen im Arsch, vegetiert nur noch vor sich hin.«
Mein Mut sank. »Ist er wenigstens ansprechbar?«
»Da könntest du genauso gut gegen eine Wand reden.«
»Wie lange wird er in diesem Zustand bleiben?«
»Er ist in Behandlung, aber wann er da rauskommt, weiß keiner. Es ist ganz schön schwierig, jemanden zu überzeugen, dass er nicht tot ist, wenn er selbst der gegenteiligen Überzeugung ist.«
»Habt ihr eine Idee, wer so mächtig sein könnte, dass er aus einem Wahrsager und einem Vampir Hackfleisch machen kann?«
Bono sah an mir vorbei zur Wand.
»Ich brauche einen Namen«, sagte ich.
»Corwin. Aber von mir hast du das nicht erfahren.« Er erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung und ging.
Ich wartete ein paar Minuten ab, ging dann zum Tresen und trank ein kaltes Corona-Bier mit einem Limettenschnitz darin. Ich hatte Bono Angst eingejagt. Ein kleiner Teil meiner selbst fühlte sich deshalb mies. Der viel größere Teil aber
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