Stadt der Lügen
die Bediener. Ich bedankte mich für sein Kommen und entschuldigte mich, dass ich seine Zeit vergeudet hatte.
»Die Figur des Clay finde ich toll«, sagte er im Gehen. »Ich werde ihn vermissen.«
Bei dieser unerwarteten Bemerkung zuckte ich zusammen. »Wie? Ach so«, murmelte ich lahm. Dann fiel mir ein, dass er den Inhalt des Ordners »Hilf Clay« gelesen haben musste und wahrscheinlich dachte, es handele sich um ein Stück Dialog aus der Serie.
»Man erzählt sich, dass Alan Kemp demnächst einen Film dreht«, fuhr Bob fort. »Er wird bestimmt einmal ein großer Star.«
»So sieht es aus«, antwortete ich. Wahrscheinlich klang meine Erwiderung nicht besonders begeistert, denn Bob tätschelte mir tröstend die Schulter.
»Mach dir nichts draus«, sagte er. »Weißt du noch, als Shelley Long aus Cheers ausgestiegen ist? Jeder dachte, die Serie würde den Bach runtergehen, und dann lief sie noch sieben Jahre mit tollem Erfolg.«
»Ich werde daran denken«, brummte ich. (Manchmal kommt es mir so vor, als ob jedermann in dieser Stadt sämtliche Banalitäten des Showbusiness in- und auswendig kennt.)
Nachdem er gegangen war, setzte ich mich an den Computer und öffnete die Datei »Hilf Clay« erneut. Ich weiß nicht, was ich erwartete. Vielleicht ein paar neue Zeilen? Worte, die eingetippt wurden, während ich den Bildschirm betrachtete? In meinem Kopf wirbelten die unwahrscheinlichsten Möglichkeiten herum.
Aber alles war beim Alten. Immer noch stand dort dieser letzte Satz wie eine kaum verhüllte Drohung: Falls nicht, wird es dir sehr Leid tun – du Schmierfink.
Ich kannte Clay. Schließlich hatte ich ihn erschaffen. Bösewichte zu erschaffen, macht Spaß – viel mehr Spaß, als Helden zu kreieren; Helden bedeuten immer viel Arbeit. Aber sicher hat niemand Lust, seinem eigenen Bösewicht in einer dunklen Nacht über den Weg zu laufen.
Voller böser Vorahnungen, die sowohl meinen eigenen Geisteszustand als auch das betrafen, was auf mich zukommen mochte, beschloss ich, Clay als lebendige Realität zu behandeln – als wäre er ein unabhängiges Bewusstsein innerhalb meines Computers. Zögernd tippte ich:
Ich verstehe nicht, wie so etwas geschehen konnte, Clay.
Dann wartete ich. Zunächst dachte ich, es würde gar nichts passieren. Aber meine Hände bewegten sich nicht, als plötzlich eine Antwort auf dem Bildschirm erschien.
Was verstehst du schon, Schmierfink? Für die Dinge, von denen du keine Ahnung hast, würde man so viel Speicherplatz benötigen, wie weder auf diesem noch irgendeinem anderen Computer zur Verfügung stehen kann.
Ich schluckte und zwang mich, das sichere Wissen darüber zu unterdrücken, wie unmöglich es war, dass dies hier geschah. Ich schrieb:
Was willst du?
Es dauerte einen Augenblick, ehe die Antwort erschien.
Was glaubst du wohl? Führe ich hier etwa Selbstgespräche? Du weißt ganz genau, dass ich in der Serie bleiben will. Mir gefällt es dort. Ich habe gewisse Pläne. Du liebe Zeit, Schmierfink! Eigentlich glaubte ich, du wärst ein Arschloch, aber jetzt merke ich, dass du ein Vollidiot bist.
Ich dachte einen Moment nach, ehe ich antwortete:
Clay, der Schauspieler verlässt die Serie. Es gibt niemanden mehr, der deine Rolle spielt.
Seine Reaktion kam so schnell, dass alle Worte gleichzeitig auf dem Bildschirm erschienen.
Such einen anderen Schauspieler.
Sofort schoss ich zurück. Meine Finger hämmerten auf die Tastatur.
Unmöglich.
Genauso schnell kam zurück:
Nichts ist unmöglich.
Ich antwortete etwas langsamer, wobei ich mich bemühte, durch sanfteres Tippen ein Gefühl von Versöhnlichkeit und Vernunft zu vermitteln.
Der Sender hat bereits entschieden. Es ist zu spät.
Er patzte zurück:
Dann sprich mit den Leuten.
Über so viel Naivität musste ich laut herauslachen. Ich schrieb:
Unmöglich. Die Entscheidungen des Senders sind unwiderruflich – das gehört nun einmal zum Größenwahn der Bonzen. Gerade du müsstest das doch besonders gut verstehen.
Pause. Eine lange Pause. Besorgnis erregend lang. Ich fügte hinzu:
Ich entwerfe bereits die Figur, die dich ersetzt. Alles ist längst genehmigt.
Weitere Pause. Schließlich antwortete er:
Weißt du, wo dein Problem liegt, Schmierfink? Du verhältst dich wie ein Verlierer. Und du bist einer.
Ich hatte nicht die Absicht, mich von ihm provozieren zu lassen, und schrieb lediglich:
Das ist nicht
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