Stadt der Lügen
wahr.
Seine Antwort klang kalt:
Behaupte nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.
Danach schwieg er. Das gefiel mir ganz und gar nicht. Ich traute diesem Schweigen nicht. Ich kannte ihn und wusste, was er dachte. Zwar konnte ich seine Pläne nicht durchschauen, aber ich fürchtete sie.
Und ich wusste, dass ich ihn stoppen musste, und zwar mit jedem nur möglichen Mittel.
Der Rauch kräuselte sich in die Abendluft und löste sich auf wie das Versprechen eines Agenten. Ich scharrte die Asche meiner soeben verbrannten Sicherungsdisketten zusammen. Die Maßnahme war sicherlich verzweifelt, aber weniger wäre nicht genug gewesen. Ich musste ganz sicher sein, dass er sich nirgends versteckte. Natürlich existierte er in den Filmrollen der Serie weiter, aber das war etwas anderes. Zwar enthüllte die Serie einige Aspekte seines Wesens, aber nicht den ganzen Charakter. Es gab Dinge, die ich zur späteren Verwendung zurückgehalten hatte -Geheimnisse und Überraschungen, von denen nur ich wusste. Aber sie standen in meinen Dateien. Meine Dateien waren sein Geburtsort und seine Kinderstube gewesen. Sie enthielten seine Vergangenheit und Wechselfälle seiner Zukunft. Sie waren sein Leben.
Ich wandte mich dem viereckigen, grauen Gerät zu meinen Füßen zu. Ohne Elektrizität, sein Lebenselixier, und von seinem dominanten Platz auf meinem Schreibtisch entfernt wirkte mein armer Computer so melancholisch, dass ich fast Gewissensbisse bekam, wenn ich daran dachte, was ich mit ihm vorhatte. Doch ich riss mich zusammen, hob den Vorschlaghammer, den ich aus meiner Garage hervorgekramt hatte und schlug mithilfe beider Hände vernichtend zu.
Plastiksplitter, Glas und Kabel flogen herum, doch es bedurfte eines zweiten und dann sogar eines dritten Schlages, ehe ich das freigelegt hatte, wonach ich suchte und von dem ich wusste, dass ich es so gründlich würde zerstören müssen, wie Van Helsing Dracula erledigt hatte. Ich nahm die Festplatte in die Hand und betrachtete sie fasziniert. Unglaublich, wie viel Leben dieser starren Form innewohnte. Ich legte sie auf einen vorbereiteten Stein und zerschmetterte sie zu Staub.
Erst in diesem Moment wusste ich, dass es vorüber war. Der Zufluchtsort des bösen Geistes existierte nicht mehr. Weil ich, wie ich bereits erwähnt habe, ein ziemlicher Laie auf diesem Gebiet bin, hatte ich noch nie ein Modem benutzt und besaß auch keinen Zugang zum Internet; auch hatte ich noch nie mit anderen Leuten Disketten ausgetauscht. Er hatte also keine Möglichkeit gehabt zu entkommen. Ich hatte Leben gegeben und wieder genommen. Dennoch fühlte ich mich durchaus nicht wie ein Gott. Ich war zu gleichen Teilen verängstigt und erleichtert.
Ich würde mir einen neuen Computer kaufen. Bob würde ihn installieren und mir neuere, effizientere Versionen der Programme aufspielen, die ich zu benutzen pflegte. Eine Menge der auf meinem Computer gespeicherten Informationen war für immer verloren, obwohl ich alle besonders wichtigen Dateien – keine von ihnen hatte mit Clay zu tun – zuvor ausgedruckt und zu meinen maschinengeschriebenen Manuskripten aus der Zeit vor dem Computer geheftet hatte.
Endlich konnte ich mich zurücklehnen und mit einem Glas Chardonnay belohnen. Ich fragte mich, ob ich die Angelegenheit jemals verstehen würde, zumal ich genau wusste, dass ich nie mit jemandem darüber würde sprechen können. Zwar konnte ich nicht erklären warum, aber ich vertraute darauf, dass die Sache endlich ein Ende gefunden hatte.
Wie einfältig ich doch war!
Claire und ich waren mit dem Sender übereingekommen, dass Clay Granger sich mit einem nicht gezeigten Selbstmord vom Bildschirm verabschieden sollte. In der Folge würden einige seiner Machenschaften enthüllt werden und die Verzweiflungstat erklären. Die wichtigsten Szenen schrieb ich mit der Hand und ließ sie von einer Sekretärin abtippen.
Eines Morgens, als Bob mir gerade meinen neuen Computer erklärte (ich hatte ihm erzählt, ich hätte den alten einem verarmten Freund geschenkt), klingelte das Telefon. Es war Claire. Sie hatte einen Anruf erhalten, ob wir mit dem Geschäftsführer des Senders zu Mittag essen könnten. Genau genommen ist die Frage »Können Sie mit dem Geschäftsführer des Senders zu Mittag essen?« nicht wirklich eine Frage. Die wahre Bedeutung lautet ungefähr: »Lassen Sie alles stehen und liegen, denn es geht um Ihr Leben.« Pünktlich um zwanzig nach zwölf präsentierten Claire und ich uns
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