Stadt der Lügen
daher im Vorzimmer von Ward Podomsky und nahmen brav in der bequemen Wartezone Platz, bis wir ins Allerheiligste gebeten wurden.
Zwar wusste keiner von uns beiden, um was es ging, aber Claire erklärte mir im Aufzug, dass sie einige Leute unter dem Siegel der Verschwiegenheit angerufen hatte, um herauszufinden, wessen Lunch mit Podomsky abgesagt worden war, um uns so kurzfristig in seinen Terminkalender aufzunehmen. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Podomskys eigenen Boss, den Vorsitzenden aus New York, der sich gerade in Los Angeles aufhielt. Das mysteriöse Ereignis nahm interessante Proportionen an.
In Hollywood weiß jeder, dass die Männer, die über eine Menge Reichtum und Macht verfügen, sich auf zwei unterschiedliche Arten kleiden. Entweder sie geben sich so ungezwungen wie der letzte Laufbursche in ihrer Poststelle und tragen Jeans, Turnschuhe und einen sorgfältig gestylten Dreitagebart, oder sie sehen aus, als seien sie soeben aus dem Schaufenster des teuersten Herrenausstatters am Rodeo Drive gestiegen. Ihr Haar ist dicht und so makellos gestriegelt, als sei es aus Gips gegossen, die Zähne sind weißer als von Mutter Natur vorgesehen, und die manikürten Fingernägel schimmern wie große rosa Edelsteine. Ward Podomsky gehörte eindeutig zur zweiten Sorte. Sein Anzug, aber auch Schlips, Hemd und Schuhe sahen merkwürdig ungetragen aus.
Podomsky stand seit fünf Jahren an der Spitze des Senders, was ihn nach Hollywood-Maßstäben fast schon zur historisch wichtigen Persönlichkeit machte. Er hatte sich so lange halten können, weil er für viele richtige Entscheidungen verantwortlich zeichnete – unter anderem hatte er unsere laufende Serie ins Programm gebracht und auch die, bei der Claire und ich uns kennen gelernt hatten. Wir wurden mit einem warmen Händedruck und einem von Herzen kommenden Lächeln begrüßt. Podomsky führte uns umgehend in sein privates Speisezimmer, wo wir mit Pasta, Salat und Mineralwasser bewirtet wurden. Auch ein Glas Wein wurde uns angeboten, aber es wäre ausgesprochen unklug gewesen, es zu akzeptieren. Höchstens ein Europäer hätte es annehmen können, ohne seine Karriere zu gefährden – für einheimische Talente war der Wein ein absolutes Tabu. Aber auch für einen Europäer wäre spätestens beim zweiten Glas Schluss gewesen.
»Es ist etwas geschehen«, sagte er und kam damit ohne Umschweife sofort zum Geschäft, »über das wir drei uns ernsthaft unterhalten müssen.« Für mich bedeutete das, dass man eine Entscheidung getroffen hatte, die wir mittragen mussten. Aber vielleicht war ich auch nur übermäßig zynisch. Ich kaute ein Salatblatt und lauschte seinen Ausführungen.
»Als Alan Kemp ankündigte, die Serie verlassen zu wollen, glaubten wir alle – sicher erinnern Sie sich – an ein Desaster. Dieses Hintertürchen in seinem Vertrag war ein Irrtum, der nicht hätte übersehen werden dürfen. Sicher wissen Sie, dass unsere Rechtsabteilung einige Veränderungen vorgenommen hat, um sicherzustellen, dass so etwas nicht wieder geschieht.«
Bei den so genannten Veränderungen handelte es sich übrigens um einige blitzartig beendete Karrieren. Ich fragte mich, worauf Podomsky hinauswollte. Er ließ uns nicht lange warten.
»Was ich Sie beide fragen wollte«, sagte er. »Was würden Sie davon halten, wenn Alan Kemp in die Serie zurückkehrte?«
Ich hörte auf zu kauen. Claire schluckte, blickte von Podomsky zu mir und von mir zu Podomsky. Sie war viel zu verblüfft, um sprechen zu können. Er fuhr mit seinem spartanischen Mahl fort und überbrückte das Schweigen.
»Warum ich mit Ihnen und nicht mit Todd darüber spreche? Nun, es war Kemp selbst, der diesen Vorschlag machte. Er hat mich gestern angerufen. Selbstverständlich habe ich mit Todd darüber diskutiert.«
Todd Weinberg war der Chefdramaturg des Senders. Er traf alle Entscheidungen auf diesem Gebiet, außer den ganz wichtigen, die an Podomsky weitergegeben wurden.
»Und was hält Todd davon?«, hörte ich mich fragen.
»Todd denkt diesbezüglich genau wie ich«, erklärte Podomsky.
Was mich wiederum in keiner Weise wunderte. Todd liebte seinen Beruf, und mit zwei Exfrauen und fünf Kindern brauchte er ihn auch. Claire und ich konnten kaum erwarten zu hören, was Podomsky dachte.
»Als Kemp ging«, fuhr Podomsky fort, »hätten wir ihm zwei Millionen pro Staffel bieten können – er hätte nicht angenommen. Als er anrief und sagte, er wolle zurückkommen, war mein erster Gedanke, dass
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