Stadt der Lügen
unterdrückte, als er meine Stimme erkannte.
»Sieh mal einer an«, sagte er, drehte sich langsam um und bedachte mich mit einem arroganten Seitenblick. »Hallo Schmierfink. Was hast du denn zu dieser Zeit hier draußen zu suchen?«
»Weißt du, Clay«, erwiderte ich und trat einen Schritt auf ihn zu, »ich mag dieses Wort nicht.«
»Welches Wort? Tut mir Leid, Schmierfink, aber ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Du weißt genau, welches Wort ich meine«, gab ich leise und sehr ruhig zurück. »Hör auf, mich ›Schmierfink‹ zu nennen. Ich mag es nicht.«
Er sah mich lange an, ohne einen Ton zu sagen. Dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte bewusst verächtlich. Dabei wichen seine eiskalten, durchaus nicht fröhlich dreinblickenden Augen keine Sekunde von meinem Gesicht.
Hätte er nicht gelacht, hätte ich es vielleicht nicht getan. Aber was zu viel ist, ist zu viel. Meine Hand fuhr unter meinen Pullover – ich weiß nicht genau, wie es passierte, aber dieser verdammte Wagenheber glitt mir aus den Fingern, rutschte durch ein Hosenbein und fiel auf die italienischen Fliesen. Das metallische Scheppern klang noch eine ganze Weile durch die Nacht.
Was sollte ich jetzt machen? Immer noch fixierten wir uns gegenseitig. Ich konnte mich nicht bücken, um die Waffe aufzuheben, denn dann hätte ich meinen Hinterkopf ungeschützt einem vielleicht tödlichen Schlag ausgesetzt. Ich konnte nur mein rechtes Bein schütteln, wie es eine Katze tut, die in eine Pfütze geraten ist, um das blöde Werkzeug aus meiner Hose freizubekommen.
Plötzlich veränderte sich Clays Gesicht und nahm wieder den vertrauten Anblick Alans an, als hätte der metallische Lärm ihn wieder in seinen Körper zurückgerufen. Einen Moment lang sah er merkwürdig hilflos aus. In seinen Augen lagen so viel Trauer und Verzweiflung, dass ich beinahe versucht war, ihn in die Arme zu nehmen und zu trösten.
»Ich weiß nicht, was mit mir los ist.« Seine Stimme zitterte. »Hilf mir.«
Wir gingen in sein riesiges Wohnzimmer und setzten uns. Er ließ sich in einem wuchtigen, weißen Sessel nieder, ich nahm ihm gegenüber Platz auf einem dick gepolsterten, ebenfalls weißen Sofa. Die Dunkelheit zwischen uns wurde von ein paar strategisch platzierten Lichtpunkten aufgelockert. Alan hatte das Haus einige Monate zuvor gekauft, als ihm klar wurde, dass er auf dem besten Weg war, ein großer Star zu werden.
Er saß zusammengesunken; seine verschränkten Finger hatte er zwischen die Knie gepresst. Zuvor hatte er mir einen Drink angeboten, den ich aber ablehnte. Inzwischen war ich allerdings der Meinung, ich hätte ihn vielleicht doch annehmen sollen: Beim Herumhantieren hätte er möglicherweise seine Gedanken sammeln können. So aber stand er mir unvorbereitet, verlegen und verunsichert gegenüber.
Plötzlich ließ er den Kopf nach vorn fallen. Seine Schultern begannen zu zittern. Ich konnte seine von herzzerreißenden Schluchzern unterbrochene Stimme kaum verstehen.
»Es ist ein wahrer Albtraum. Ich könnte so glücklich sein, aber stattdessen mache ich die reinste Hölle durch. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich weiß, dass ich berühmt bin, aber ich fühle mich trotzdem wie ein ganz kleines Licht.«
Seine Hände glitten zwischen den Knien hervor und bedeckten sein Gesicht. Ich fühlte mich fehl am Platz.
»Alan«, begann ich zögernd, »mir ist klar, dass ich zum Teil schuld daran bin.«
»Nein! Nein!«, unterbrach er mich. »Es ist nicht deine Schuld. Du hast ihn nicht aus dem Nichts erschaffen. Er war immer schon da. Er ist das Böse in allen von uns – in dir, in mir und in jedem, der sich die Serie anschaut. Aber er lebt, und das ist es, was zählt. Ich sehe mich nicht in der Lage, ihn loszuwerden. Es kommt mir vor, als wäre er die Strafe für alle Boshaftigkeiten, die ich je begangen habe.«
»Was denn für Boshaftigkeiten?«, fragte ich. Dabei bemühte ich mich, so zu klingen, als hielte ich ihn für unfähig, Schlechtes zu tun.
»Ich weiß nicht. Jeder von uns begeht manchmal Sünden oder denkt schreckliche Dinge.«
»Tun und Denken sind durchaus nicht dasselbe«, wandte ich ein, aber er hörte nicht zu.
»Er wird mich nie in Frieden lassen«, klagte er mit weinerlicher Stimme. »Nie mehr werde ich eine andere Rolle spielen können, das weiß ich ganz genau. Er lässt mich einfach nicht. Und er veranlasst mich zu Sachen, die ich gar nicht tun will. Aber ich habe keine andere Wahl. Du kannst es dir nicht
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