Stadt der Lüste
während Neil am Herd mit Töpfen herumhantierte.
»Catherine, die Besitzerin der Agentur, braucht Hilfe. Ich will mich gar nicht großartig ins Geschäft einmischen, sondern lediglich stille Teilhaberin werden und ein wenig Profit aus der Sache schlagen. Im Moment mache ich mir erst einmal ein Bild von der Firma, genau wie ich es bei einer Übernahme auch gemacht hätte.«
»Das war ja schon immer deine Stärke, wenn ich mich recht erinnere.«
»Du alter Schmeichler. Und wie steht es mit dem Privatkundengeschäft in deiner Bank?«
»Es ist ermüdend. Einfach nur langweilig. Wenn ich dein Köpfchen und deine Chuzpe hätte, würde ich mein Glück auch mit Fusionen und Übernahmen probieren. Und du schmeißt die ganze Sache einfach hin und wirst Immobilientante.«
»Das ist nur der erste Schritt. Eine Art Sprungbrett«, erklärte sie Tom.
»Ja, ja, aber jetzt kommen wir mal zur wichtigsten Frage«, warf Neil ein und drehte sich zu ihnen um. »Wirst du gerade von irgendjemandem flachgelegt?«
»Ich bin doch erst seit zwei Wochen hier«, erwiderte Emma.
»Also schon mehrmals«, entgegnete Neil.
»Nur ein Mal. Um sicherzugehen, dass mein Charme bei englischen Männern noch wirkt.«
»Und?«, fragten sie beide gleichzeitig.
»Und ob.«
»Gab es denn niemand Bestimmten in den Staaten?«, fragte Tom mit ehrlich betroffenem Gesichtsausdruck.
Emma schüttelte den Kopf und schnaubte leise. Dann sagte sie: »Hättet ihr beide Lust auf eine kleine Shopping-Tour nächste Woche? Ich brauche ein paar Klamotten für die Agentur und ein paar hübsche Sachen für mich.«
Neils Augen begannen zu leuchten, Toms Miene verdüsterte sich jedoch.
»Natürlich hätten wir Lust, Mutter!«, rief Neil.
»Du musst nicht mitkommen, Tom«, sagte Emma an Tom gewandt.
»Sei nicht albern, er kommt liebend gern mit, nicht wahr, Tom? Am besten gehen wir ganz früh los, gleich, wenn die Geschäfte öffnen, dann haben wir genug Zeit.«
Als Tom aufstand und leise murmelnd den Raum verließ, brachen Emma und Neil in Gelächter aus.
»Ihr beide seid wirklich ein großartiges Paar. Je öfter ich euch sehe, desto sicherer bin ich mir«, sagte Emma zu Neil, sobald Tom außer Hörweite war.
»Tom ist hoffnungslos altmodisch. Wir sind letzten Monat zusammen tanzen gegangen, und du hättestsein entsetztes Gesicht sehen sollen, als wir den Raum betraten. Es war ein Bild für die Götter.«
»Ich wette, Tom hat es vor zwanzig Jahren ganz schön krachen lassen, während du noch mit deinen Spielsachen beschäftigt warst«, erwiderte Emma.
»Das kann ich mir einfach nicht vorstellen, Emma. Ich necke ihn immer damit, aber er weicht mir ständig aus. Wo willst du unsere Einkaufsorgie denn abhalten?«
»Bei den üblichen Verdächtigen. Harvey Nichols, Harrods, Sloane Street. Und ich möchte mir diese neue Abteilung von Hamiltons ansehen, von der überall die Rede ist.«
Es war bereits nach Mitternacht, als Emma in ein Taxi stieg und nach Hause fuhr, doch das kümmerte sie nicht. Wenn sie zu Zeiten von Morse Callahan abends ausgegangen war, hatte sie immer schon um neun nervöse Blicke auf die Uhr geworfen, voller Sorge, dass sie nicht genug Schlaf bekommen würde, um am nächsten Arbeitstag voll einsatzfähig zu sein. Darüber brauchte sie sich jetzt keine Gedanken mehr zu machen. Es interessierte sie nicht, wie spät es war, wie die Aktienkurse standen oder was andere Leute hinter ihrem Rücken über sie redeten. Sie hatte den Eindruck, als sei eine ganze Ansammlung von Hintergrundgeräuschen plötzlich verstummt und sie könne zum ersten Mal seit langer Zeit ihre eigenen Gedanken hören, klar und unverzerrt. Selbst das Bedürfnis, dieses neue Gefühl zu analysieren, verebbte langsam, und sie begann, sich an ihren geänderten Lebensrhythmus zu gewöhnen. Im Grunde ließ sich mit einem einzigen Wort beschreiben, wie sie sich fühlte: frei.
Fünf
Emma saß auf dem Sofa und ließ den Blick durch ihr Wohnzimmer schweifen. Dank der Immobilienagentur hatte sie sich über die Wohnungssuche keine Gedanken machen müssen. Catherine hatte für sie ein Apartment am Wellington Square Ecke Kings Road organisiert. Die belebte Kings Road mit ihren vielen Geschäften sowie die Nähe zu Lomax gefielen Emma außerordentlich gut. Die Wohnung lag ebenerdig, hatte niedrige Decken, und die stilsichere Inneneinrichtung mit ihrer kultivierten Bescheidenheit wirkte wie aus einem renommierten Hochglanzmagazin. Das Apartment entsprach zwar nicht ganz Emmas Geschmack,
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