Stadt der Masken strava1
Lucien, der immer noch entsetzt darüber war, dass die Duchessa eine andere Frau in den sicheren Tod geschickt hatte, auch wenn diese Frau in gewisser Weise in das Komplott verwickelt gewesen war.
»Meine Mutter, Ariannas Großmutter, stellt auf Burlesca Spitze her«, erwiderte die Duchessa, als sei das eine Antwort auf seine Frage.
»Das weiß ich«, sagte er. »Ich habe sie kennen gelernt.«
»Natürlich, das hatte ich ganz vergessen. Also, wenn du ihre Arbeit gesehen hast, weißt du ja, wie gut sie ist. Von überall her kommen die Menschen zu ihr, wenn sie etwas Besonderes brauchen. Und kürzlich wurde sie von einer jungen Frau wegen einer besonders prächtigen Hochzeitsausstattung aufgesucht. Diese junge Frau erzählte ganz stolz von dem Geld, das ihr zukünftiger Mann für einen geheimen Auftrag bekäme, den er für Rinaldo di Chimici erledigen müsse.«
»Was für ein Zufall!«, staunte Lucien.
Die Duchessa hob die Maske an und rieb sich die Augen. »Ich glaube nicht an Zufälle«, sagte sie. »Es war Schicksal. Es gelang meiner Mutter, mir auf eine Art, die nur ich verstand, eine Botschaft zukommen zu lassen. Als ich sie entziffert hatte, beschloss ich, die junge Frau heute als Double für mich einzusetzen – so wie schon einmal zuvor.«
»Aber warum hat sie denn zugestimmt, wenn sie wusste, dass sie in Gefahr war?«, wollte Lucien wissen.
»Ich nehme an, sie wusste nicht, wann es passieren sollte. Wahrscheinlich hat sie selbst nicht mal die Hälfte von den Dingen begriffen, die sie meiner Mutter verraten hatte. Sie war geldgierig und das neue Angebot kam ihr recht. Außerdem hatte sie die Vereinbarung gebrochen, die wir bei ihrem ersten Auftritt als Duchessa getroffen hatten.«
Die Herzogin sah die anderen herausfordernd an, falls einer etwas gegen diese Argumentation vorbringen wollte. Wieder einmal dachte Lucien, dass sie die skrupelloseste Frau sei, der er je begegnet war. Er dankte seinem Schicksal, dass er im gefährlichen Spiel der talianischen Politik auf ihrer Seite gelandet war.
»Was geschieht nun?«, fragte Rodolfo. »Soll ich deine Wache schicken, um di Chimici festzunehmen?«
Die Duchessa erhob sich und sah in den Spiegel, der den verwüsteten Glassalon zeigte.
»Nein. Als ich meine Gemächer verließ, war ich allein. Ich wollte nur fort von dem Krach und dem Aufruhr. Aber in dem dunklen Gang ging mir auf, dass ich den heutigen Tag auf andere Weise für mich nützen könnte.«
Sie drehte sich um und sah die anderen an, dann löste sie langsam und bewusst ihre blutrote Maske. »Ich habe beschlossen, dass die Duchessa tot ist.«
Die Beisetzung war die prächtigste, die Bellezza je gesehen hatte. Es war ein Tag der öffentlichen Trauer. Sechs Leibwächter trugen den herzoglichen Ebenholzsarg, der mit Silberintarsien verziert war, in den Dom, wo die Senatoren und Ratsherren ihn erwarteten. Zwei der Wachen waren bei den ersten Männern gewesen, die in den Glassalon geeilt waren, und sie wussten, wie wenig von der großen Herrscherin übrig geblieben war und in den Sarg gelegt werden konnte.
Nur die Reste roter Seide und roter Federn, noch tiefer gefärbt vom Blut, ließen es zu, die armseligen menschlichen Überreste nach der Explosion zu identifizieren. Es war Giulianas letzter Auftritt als Stellvertreterin.
Der Bischof von Bellezza vollzog die Feierlichkeiten in der silbernen Kathedrale.
Senator Rodolfo in der öffentlichen Rolle als Mitglied des Ältestenrates und in der privaten als allgemein anerkannter Günstling der verstorbenen Duchessa war der Hauptleidtragende. Mit gefasstem, umwölktem Gesicht folgte er dem Sarg in den Dom. Hinter ihm ging Rinaldo di Chimici, der Remora und den Papst repräsentierte.
Diejenigen Bellezzaner, die keinen Einlass in den Dom fanden, standen mit gesenkten Häuptern auf der Piazza und lauschten der Musik und den feierlichen Klängen der Totenmesse. Schwer und getragen, drangen sie aus den silbernen Türflügeln, die man während des gesamten Gottesdienstes geöffnet ließ.
Nach der Messe, die zwei Stunden dauerte, trugen sechs der besten Mandoliers der Duchessa den Sarg zu der schwarzen »mandola di morte«, die in der Lagune bereitlag. Vom Campanile ertönte eine Glocke. Die Trauermandola war in schwarze Spitze gehüllt, doch die Vorhänge waren zurückgerafft, um den Bürgern einen letzten Blick auf den Sarg ihrer geliebten Herrscherin zu gewähren.
Abwechselnd steuerten die Mandoliers das Gefährt den Großen Kanal entlang bis zum
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