Stadt der Masken strava1
würde er Giuliana abholen und nach Remora reisen. Sein Plan war wasserdicht.
Rinaldo di Chimici hörte die Explosion ebenfalls in seinen Räumen am Großen Kanal. Dem Knall folgte eine Stille, in der ganz Bellezza den Atem anzuhalten schien. Und dann ein allgemeiner Aufschrei, als alle Menschen auf den Palazzo zuliefen, während die Wachen vergeblich versuchten sie am Eindringen zu hin
dern.
Di Chimici bemühte sich möglichst normal zu wirken. Aber was war wohl normal für einen remanischen Botschafter, der ein Massaker im herzoglichen Palast ver
mutete? Er musst sich in der Öffentlichkeit zeigen, musste sich überrascht, nein, betroffen geben, sonst verdächtigte man ihn noch, etwas damit zu tun zu haben.
Er läutete, damit ihm sein Diener die Neuigkeiten mitteile. Als dieser nichts mit
zuteilen hatte, außer dass eine Explosion in der Gegend der Piazza Maddalena stattgefunden haben musste, eilte er hinunter zu seiner Mandola, die am Anleger lag.
Während das Gefährt durchs Wasser glitt, konnte er sehen, dass sich viel Ver
kehr in dieselbe Richtung bewegte. Der Platz war so übersät mit Menschen, als würde eines der bellezzanischen Feste gefeiert. Doch der schwarze Rauch, der aus dem Dach des Palazzo quoll, strafte die Karnevalsatmosphäre Lügen. Die Männer, die in Bellezza Brände bekämpften, pumpten Wasser aus der Lagune zum Palast hinauf, so schnell sie konnten.
Als der Botschafter aus seiner Mandola auf den Anleger an der Piazzetta sprang, hörte er schon vereinzelte Rufe: »Bellezza e morta!« Abrupt blieb er stehen.
Nach dem, was am Fest der Maddalena passiert war, konnte er kaum glauben, dass sein Komplott geklappt hatte. Doch die Rufe konnten nur eines bedeuten: Die Duchessa war tot.
Rodolfo stieß im Dunklen mit etwas Weichem zusammen – einer Person, die aus der entgegengesetzten Richtung kam. Er packte sie zunächst bei den Schultern, um sie aus dem Weg zu stoßen, doch etwas ließ ihn innehalten. Ein Duft, ein Aufatmen, das wie ein Schluchzen klang, und er hielt die Gestalt in den Armen.
Er wusste nicht, wie sie überlebt hatte, aber es war Silvia, ganz ohne Zweifel.
»Der Göttin sei Dank!«, flüsterte er.
Silvia seufzte und schluchzte erneut auf.
»Die Göttin hat vielleicht die Hand im Spiel gehabt«, sagte sie mit zitternder Stimme, »aber ich selbst habe auch nachgeholfen.«
Lange Zeit hielten die beiden sich so in dem Gang umschlungen, bis ihr Herz
schlag wieder regelmäßiger wurde. Dann gingen sie langsam zu Rodolfos Gemä
chern zurück.
»Der Himmel sei gepriesen!«, rief Dethridge aus, als er sie auftauchen sah. »Wir hatten schon das Schrecklichste befürchtet.«
»Fast wäre es auch eingetreten, Dottore«, sagte die Duchessa. »Aber es braucht mehr als einen di Chimici, um mich umzubringen.«
»Luciano«, sagte Rodolfo, »reiche ihr etwas Wasser. Sie hat einen Schock erlitten.«
»Was ist denn geschehen?«, wollte Lucien wissen, während er Rodolfos schönsten Silberkelch aus dem Schrank holte und Wasser hineingoss.
Die Duchessa nahm einen tiefen Zug, ehe sie antwortete. Sie trug das tiefrote Kleid und die Federmaske, die sie noch Sekunden vor der Explosion in Rodolfos Spiegel gesehen hatten. Abgesehen von etwas Staub und ein paar Spinnweben, die im Geheimgang an ihr haften geblieben waren, war sie völlig unversehrt. Rubine leuchteten an ihrem Hals und in ihren Ohren und der Fächer, den sie noch umklammert hielt, war aus blutroter Spitze.
»Ich habe für meine Audienz heute ein Double benutzt«, sagte sie und ihre Stimme zitterte dabei nur noch leicht. »Wie sich herausstellte, war das eine gute Idee.«
Lucien war entsetzt. Eine unschuldige Frau war demnach zu Tode gekommen. Er wusste, dass eine Herrscherin mit der Gefahr lebte. Er hatte sie ja schon einmal vor einem Attentat bewahrt. Doch plötzlich hatte er den furchtbaren Eindruck, dass die Duchessa genau gewusst hatte, was sie tat, als sie eine Ersatzperson in den Glassalon geschickt hatte.
Rodolfo dachte offensichtlich das Gleiche. »Du wusstest, dass etwas passieren würde?«
Die Duchessa nickte. »Ich bin gewarnt worden.«
»Weißt du, wer es war?«, fragte Rodolfo gepresst.
»Der Handlanger war ein gewöhnlicher Schurke, der glaubte eine Herzogin zu töten, der aber in Wirklichkeit seine eigene Verlobte umgebracht hat«, sagte die Duchessa. »Dahinter steckte allerdings derselbe Attentäter wie beim letzten Mal
– Rinaldo di Chimici.«
»Wie haben Sie das alles herausgefunden?«, fragte
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