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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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stehenden Mitteln. Vielleicht hat sie sich ja auch geändert. Ihr Brief klingt jedenfalls weit weniger arrogant, als ich sie in Erinnerung habe.«
    »Wann wird sie anreisen?«
    »Oh, sie schreibt, morgen schon!«
    »Morgen?« Godfrey richtete sich überrascht auf. »Blimey, so scheint es ja wirklich dringend zu sein. Ich nehme an, die Gerichtsverhandlung steht kurz bevor, oder aber sie flieht vor dem Geschwätz in London.«
    »Das Erstere ist der Fall. Sie schreibt, die Gerichtsverhandlung wäre für Ende nächster Woche angesetzt. Eine schreckliche Geschichte ist das.«
    Godfrey nickte. »Und noch viel schrecklicher wird es, wenn es zu einer Verurteilung kommt, dann steht deine Cousine nämlich völlig mittellos da. Es sei denn, ein guter Anwalt erstreitet für sie den Erhalt des Vermögens als Wiedergutmachung. Das könnte zwar schwierig werden, aber ich werde mein Bestes tun.«
    »Wie immer!«, sagte Mary-Ann und küsste ihn zärtlich. Dann erhob sie sich entschlossen. »Wir werden uns jetzt umziehen müssen.«
    »Umziehen? Aber ich dachte, wir würden es uns zu Hause ein wenig gemütlich machen?« Godfrey machte ein unglückliches Gesicht. Er liebte die Häuslichkeit. Mary-Ann lachte. »Es wird dir nicht gelingen, dich zu drücken, mein lieber Gemahl. Hast du vergessen, dass uns Deodra Ashworth zum Dinner in Moston Park eingeladen hat?«
    »Vergessen nicht, aber gehofft, wir könnten uns irgendwie herauswinden«, seufzte Godfrey. »Ehrlich gesagt schätze ich die Gegenwart der Ashworths nicht mehr so sehr wie am Anfang. Die Gehässigkeit der beiden untereinander ist wirklich unerträglich.«
    Mary-Ann hauchte ihrem Mann einen raschen Kuss auf die Wange. »Nicht jeder hat das Glück, eine harmonische Ehe zu führen, das müsstest du doch wissen, Godfrey. Deine Eltern sind sich auch nicht gerade in trauter Herzlichkeit zugetan.«
    »Eben drum!«, murrte Godfrey verdrießlich. »Ich war froh, der ständig schwärenden Missstimmung von Fountendale Hall endlich entronnen zu sein und nun muss ich mich schon wieder mit solchen Leuten umgeben.«
    Mary-Ann lächelte verständnisvoll. Godfrey hasste die Verlogenheiten der guten Gesellschaft zutiefst und das aus gutem Grund. »Ich glaube, ich kann dich beruhigen, Godfrey. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Henry Ashworth heute am Dinner teilnehmen wird. Deodra redet nicht gern darüber, aber sie hat mir anvertraut, dass sie und ihr Ehemann sich seit Wochen aus dem Weg gehen. Es gab da einen Vorfall, der sie sehr gekränkt hat, und seitdem lebt jeder für sich. Die Ehe besteht nur noch auf dem Papier. Aber versprich mir, dass du das für dich behältst. Es wäre mir mehr als peinlich, wenn sie erführe, dass ich dich eingeweiht habe.«
    Godfrey legte sein Buch auf dem Beistelltisch ab und erhob sich mit einem bedauernden Seufzen. »Nun, dann bin ich wohl gezwungen, dem leidgeprüften Weib Ashworths heute an der Seite meiner außerordentlich verständnisvollen Gattin Gesellschaft zu leisten. Ich gebe mich, wie immer, geschlagen.«
    »Ich weiß das Opfer zu schätzen, mein Lieber«, meinte Mary-Ann dazu. »In einer Stunde brechen wir auf.«
    Die Stimmung beim Dinner ließ eindeutig zu wünschen übrig – und das trotz der üppig aufgefahrenen exquisiten Speisen. Mühsam schleppte sich die Konversation dahin, was vor allem der kaum verborgenen Missstimmung der Hausherrin geschuldet war. Ja, diese vermittelte geradezu den Eindruck, die illustre Gästeschar sei ihr lästig und ein nur wenig inspirierender Zeitvertreib. Dabei bestand diese nicht nur aus den wichtigsten Damen der feinen Gesellschaft Manchesters – einige begleitet von ihren Ehemännern –, sondern darüber hinaus waren überaus reiche Gäste aus Birmingham zugegen, die gerade in Manchester weilten. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Mr Plummer sich soeben neugierig nach dem Verbleib des Hausherrn erkundigt hatte, worauf vor allem unter den Damen ein peinliches Schweigen entstand. Das Zerwürfnis der Eheleute Ashworth war, wie es schien, doch nicht so diskret geblieben, wie Deodra Ashworth gerne glauben wollte.
    »Wie macht sich eigentlich Ihr Schulprojekt, meine Teuerste?«, fragte Mrs Plummer deshalb schnell und beugte sich dabei zu ihrer Tischnachbarin hinüber, um ihr zu erläutern: »Wissen Sie, Mrs Bentley, unsere liebe Mrs Fountley hier gehört zu den wahren Wohltäterinnen in Manchester. Besonders die unteren Schichten haben es ihr angetan. Sie hat sich der Bildung für die Arbeiterkinder

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