Stadt der Sterne strava2
muss dieses Tor bewachen. Könnt Ihr das Pferd selbst nach hinten in den Stall bringen?«
»Aber ja«, erwiderte Lucien. »Was ist denn los?«
Der Mann murmelte etwas Unverständliches und es war klar, dass er keine Auskunft geben wollte. Lucien brachte Dondola in die Stallungen. Sie lagen völlig verlassen da. Er stellte die Stute in eine Box und gab ihr Heu und Wasser.
»Ich bin bald wieder zurück«, sagte er zu ihr. »Ich will mich nur mal umsehen.
Ich bin sicher, dass Cesare hier irgendwo steckt.«
Und Merla, die seine Stimme erkannte oder vielleicht den Namen des Jungen, der in der Nacht ihrer Geburt anwesend gewesen war, stieß ein lang gezogenes Wiehern aus.
Arianna merkte plötzlich, wie Rodolfo neben ihr erstarrte.
»Was ist los?«, flüsterte sie.
Der Umzug hatte sich inzwischen um den gesamten Platz geschlängelt. Georgia befand sich vor der Tribüne der Zwillinge und die Prozession der Zwillinge selbst hatte die Tribüne der Widder erreicht. Zwei kleine Jungen, echte Zwillinge, spielten auf dem Festwagen unter einer riesigen Löwin aus Pappmaschee, die auf einem Teppich aus rosa-weißen Papierrosen errichtet war. Teresa erfreute sich an dem Anblick und musste an ihre eigenen kleinen Zwillinge denken, die im heimischen Bezirk zurückgeblieben waren.
Rodolfo wechselte einen Blick mit Dethridge und beide machten Paolo, der stolz an der Tribüne vorbeimarschierte, ein heimliches Zeichen. Die Gedankenverbindung zwischen den dreien war fast sichtbar.
Der Trupp der Fische hatte gerade den Campo betreten, gefolgt von dem letzten Festwagen, der die Stellata selbst trug, ein Banner, das mit silbernen Sternen übersät war und auf dem eine Frau in Blau abgebildet war.
Die Menge brach in Jubel aus, als sie das Banner erblickte. Die Menschen lösten ihre bunten Schärpen und Halstücher und winkten der bemalten Seidenstandarte zu. Während der Lärm wieder aufbrauste, zeigte Rodolfo Arianna, was er in seinem Spiegel sehen konnte. Ein junger Mann mit langen schwarzen Locken, der die rot-gelben Farben des Widders trug, klammerte sich an den Rücken eines schwarzen Pferdes. Er sah aus, als sei er kein geübter Reiter. Doch ehe das Bild verblasste, konnte Arianna noch erkennen, dass er ohne Sattel zu Pferde saß –
zwischen einem riesigen Paar schwarzer Schwingen – und dass das Pferd hoch über den Baumwipfeln kreiste.
Mit einem Ruck wachte Cesare auf. Am Licht konnte er sehen, dass es inzwischen später Nachmittag war; grünliches Sonnenlicht fiel schräg zwischen den Bäumen durch. Der Hunger nagte an ihm, doch er zwang sich ins Wasser zu steigen und die tückischen Steine zu überqueren.
Nach einem Drittel des Weges verließ ihn der Mut. Die Steine waren glitschig und auch die größeren kippelten ein wenig, wenn er den Fuß darauf setzte. Mit jedem Schritt war er in Gefahr, in das reißende Wasser zu rutschen. Vor ihm lagen mehrere Steine und er wusste nicht, welche davon sicher und welche gefährlich waren.
Cesare blieb stehen und konnte mit einem Mal weder vor noch zurück, denn er war sich auch gar nicht mehr sicher, welche Steine bisher stabil gewesen waren.
Zudem war ihm schwindelig. Eine schwarze Libelle flog herbei und flirrte vor seinem Gesicht herum. Ihre Flügelpaare schillerten im Licht; sie erinnerte ihn an Merla. Indem er sich auf das schimmernde Insekt konzentrierte, ließ das Schwindelgefühl etwas nach. Die Libelle flog ihm voraus und ließ sich auf einem honigfarbenen Stein nieder.
Den Blick fest auf sie gerichtet, bewegte Cesare einen Fuß nach vorn und setzte ihn auf diesen Stein. Er trug. Die Libelle schwirrte weiter und setzte sich auf den nächsten Stein; sie verharrte einen Moment, kehrte dann zu Cesare zurück und flog erneut auf den Stein vor seinen Füßen.
»Das ist der richtige, du hübsches Wesen, ja?«, murmelte Cesare und machte den nächsten Schritt. Stein um Stein und einen waghalsigen Schritt um den anderen geleitete die Libelle ihn über den Fluss. Als er das andere Ufer erreichte und festen Boden unter den Füßen hatte, schlug das Insekt dreimal mit den sirrenden Flügeln und verschwand in den Baumwipfeln.
»Danke!«, rief Cesare und sah ihr nach. Und da entdeckte er Merla, die selbst langsam über den Bäumen kreiste und einen Reiter auf dem Rücken trug.
Lucien blickte durch die Baumwipfel, die Schwindel erregend schnell unter ihm vorbeisausten. Er wusste, dass Merla noch schneller fliegen konnte, doch sie schien nach etwas Ausschau zu halten und dafür
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