Stadt der Sterne strava2
der mich beobachtet.«
Lucien wusste plötzlich, was er zu tun hatte. Er rannte los, um festzustellen, ob er die Pferde einspannen lassen könnte, doch alle Stallknechte waren auf der Piazza del Fuoco und alleine schaffte er es nicht. Dondola stand in ihrer Box und fraß gelassen ihr Heu und Lucien wusste, wie man sie sattelte und ihr das Zaumzeug anlegte. Ungeschickt kletterte er über einen Schemel auf ihren Rücken.
Dann ritt er in nördlicher Richtung durch die verlassenen Straßen des Widder-Bezirks davon.
Der Widder führte die Prozession an – als derjenige Bezirk, dessen Tierkreiszeichen das erste im astrologischen Jahr war. Der Trommler schlug den Rhythmus für den Schritt, der dann von allen anderen Bezirken aufgenommen wurde, und die Fahnenträger senkten die Fahnen und traten durch das Tor unter der Tribüne der Preisrichter auf den kreisrunden Platz.
Sie zogen langsam zur Tribüne der Jungfrau, wo sie das erste zeremonielle Fahnenschwingen vorführten. Georgia und ihr Paradepferd mussten anhalten. Weil ein großer Festwagen zwischen ihnen stand, konnte sie das Schauspiel der Montonaioli nicht sehen, abgesehen von der alzata, bei der die Fahnen hoch in die Luft flogen und unter dem Jubel der Menge wieder herabtrudelten.
Das ist ja der reine Wahnsinn, dachte Georgia und betrachtete die Menge. Das gesamte Innere des Platzes war dicht mit Remanern gefüllt. Einige Stadtbewohner, die schon am frühen Morgen gekommen sein mussten, um den besten Platz zu ergattern, standen auf der kreisförmigen Steinbank um den Brunnen. Die Farben der Zwillinge flatterten noch immer von der Spitze der Säule – als gutes Omen für die Chimici.
Georgias Blick schweifte von der Menge über die Rennstrecke zur Tribüne der Löwin, vor dem ihr Teil der Widder-Prozession angehalten hatte. Zu ihrer Überraschung sah sie unter den roten und schwarzen Schärpen die kunterbunten Kleider der Manusch. Aurelio und Raffaela saßen bei einer alten Frau und Georgia lächelte zu ihnen hinüber. Sie konnte sich eigentlich nicht recht vorstellen, dass es zu dem spartanischen Lebensstil der Manusch passte, das Rennen von einer bequemen hölzernen Tribüne aus zu beobachten.
Verzückt sah Arianna von ihrem Ehrenplatz aus zu. Ein solches Spektakel gab es in ihrer Wasserstadt höchstens beim Karneval. Rodolfo war allerdings immer noch beunruhigt. Er achtete nicht auf den Umzug, sondern ließ den Blick über den Himmel gleiten oder sah über die Schulter zum Pfleghof, der halb verdeckt hinter dem päpstlichen Palast lag. Nach einer Weile merkte Arianna, dass er im Schutz seines Umhangs einen Handspiegel hervorgeholt hatte. Und sie wusste, dass dies nicht aus Eitelkeit geschah.
Cesare war am Ende seiner Kräfte, als er an einen rasch dahinfließenden Strom kam. Dankbar schöpfte er Wasser mit den Händen und trank, bis sein Durst gestillt war. Er hatte nichts, worin er sich einen Vorrat hätte mitnehmen können, doch er befeuchtete sich noch Gesicht und Haar und tränkte sein Halstuch, damit es ihm für die restliche Wanderung Kühle spendete. Seine nächste Aufgabe bestand darin, den Fluss zu überqueren und den Weg auf der anderen Seite fortzusetzen, der sich dort einladend zwischen den Bäumen dahinschlängelte. Es lagen mehrere große, abgeschrägte Findlinge im Wasser, die ihm als Tritt dienen konnten, doch als er die Probe mit einem Ast machte, merkte er, dass das Wasser in der Mitte des Flusses tief war. Er machte wieder einen Schritt zurück aus dem Wasser und setzte sich seufzend an einem Baum auf den Boden.
Lucien ritt nach Santa Fina. Er genoss es, sein Pferd mit jedem zurückgelegten Meter besser zu beherrschen. Solange er noch auf der Strada delle Stelle war, ritt er im Schritt dahin, doch kaum hatte er das Sonnentor hinter sich und die Straße wurde zur Landstraße, trieb er Dondola zu einem leichten Galopp an. Sie war überrascht und erfreut über den Auslauf und trug ihn nur zu gerne mit rascher Geschwindigkeit nach Santa Fina.
Schon bald tauchte der große Palast vor ihnen auf. Zum ersten Mal konnte Lucien das Gebäude beim Näherkommen richtig sehen; sonst hatte ihn die Kutsche immer direkt durch das riesige Tor in den Hof gefahren. Heute war das Tor geöffnet und die Dienerschaft schien genauso aufgeregt wie bei seinem letzten Besuch an jenem Morgen, als man Falco mit der Giftflasche entdeckt hatte.
Einer der Diener erkannte ihn, als er von Dondolas Rücken sprang.
»Oh, Signore«, sagte er. »Es tut mir Leid. Ich
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