Stadt der Sterne strava2
Vater kümmern konnte. Der alte Mann war vor einem Monat friedlich eingeschlafen, aber es hatte ihm in seinem letzten Jahr auf Erden nicht an Ärzten oder Pflege gefehlt.
»Was gibt’s Neues aus der Stadt?«, fragte Silvia. »Wie geht es der Duchessa?«
»Sie macht euch beiden alle Ehre«, sagte Leonora. »Und mir auch, obwohl ich ja nur ihre Nenn-Tante bin.«
Silvia nickte. »Und dein Mann, der wackere Doktor?«
»Soviel ich weiß, geht es ihm gut. Aber zur Zeit ist er auf Reisen mit Lucien. Was ist das doch für ein lieber Junge!«
»Und was muss es dir für ein Trost sein, dass du noch so spät im Leben zu einem Kind gekommen bist, das du liebst«, sagte Silvia. Das meinte sie ernst, denn auch auf ihr eigenes Kind hatte sie fünfzehn Jahre lang verzichten müssen und es erst kürzlich zurückerhalten.
»Ich weiß, dass wir seine richtigen Eltern nicht ersetzen können«, sagte Leonora leise. »Er trauert sehr um sie. Aber wir lieben ihn. Und ich hoffe doch, dass er in Remora nicht in Gefahr ist«, fügte sie besorgt hinzu.
»Bestimmt nicht«, sagte Silvia. »Und er wird auch darauf achten, dass Arianna nicht in Gefahr kommt. Hast du vor die beiden zum Rennen zu besuchen?«
»Nein, ich…« Leonora unterbrach sich, als sie es in den Augen ihrer Freundin aufblitzen sah. »Silvia! Du kannst doch nicht vorhaben… Das ist viel zu gefährlich.«
»Warum?«, fragte Silvia. »Es sind doch vier Stravaganti dort, die mich beschützen können. Ganz abgesehen von Guido.«
»Aber die ganze Stadt ist voller Chimici«, hielt ihr Leonora entgegen. »Man wird dich entdecken!«
»Ich wüsste nicht, warum«, sagte Silvia, erhob sich und ging mit langen Schritten auf dem Hof auf und ab. »Ohne meine Masken hat mich noch nie jemand erkannt. Du weißt doch, wie oft ich in Bellezza war in den letzten paar Monaten.
Und wenn man mich da nicht erkennt, wie viel weniger in Remora?«
»Der Botschafter würde dich erkennen, da bin ich sicher«, sagte Leonora. »Und der Herzog.«
»Dann muss ich mich eben fern halten von dem Herzog und dem Botschafter, nicht wahr?« Mehr hatte Silvia nicht dazu zu sagen.
In einem Zimmer im obersten Stock eines großen Palastes, der am Kanal lag, sah ein schwarz gekleideter Mann in einen Spiegel. Jedoch nicht aus Eitelkeit. Es war nicht sein eigenes Gesicht mit dem silber-schwarzen Haar, das ihn aus dem Spiegel anschaute. Es war das viel ältere und weißhaarigere seines Freundes und Meisters William Dethridge.
»Seid gegrüßt, Meister Rudolphe!«, sagte Dethridge. »Ich bin recht froh zu wissen, dass Euer Spekulum auch hier in Remora arbeitet.«
»Ich war die letzten zwei Tage nicht hier«, sagte Rodolfo. »Was für eine Erleich
terung, zu sehen, dass Ihr wohlauf seid. Und der Junge?«
»Ebenso«, sagte Dethridge. »Doch muss ich Euch mehr berichten.«
Rodolfo ließ sich in seinem Stuhl nieder, um zu lauschen.
»Es ist ein neuer Stravagante eingetroffen«, erzählte Dethridge. »Aber es ist eine Maid.«
»Ein Mädchen? Und sie ist bei Signor Paolo gelandet?«
»So ist es. Schon dreimal. Am heutigen Tage ist sie mit seinem Sohn Cesare zu
sammen in der Stadt Santa Fina. Der junge Herr Luciano ist mitgefahren.«
»Ist sie in Sicherheit? Weiß sie um die Gefahren? Wie ist ihr Name?«
»So sicher, wie man inmitten dieses Natterngezüchts sein kann«, sagte Dethrid
ge und senkte die Stimme. »Der junge Cesare und Luciano lehren sie alles, was uns über die Gefahren bekannt ist. Ihr Name ist George oder so ähnlich. Der Junge kennt sie von ehedem.«
»Und was sagt Paolo über die Stadt?«, wollte Rodolfo wissen. »Findet er, dass Arianna die Einladung zu dem Rennen annehmen sollte?«
»Er meint, dass es ein Affront sein könnte, wenn sie nicht käme – dass es die Chimici zum Vorwand nehmen würden, um gegen sie einzuschreiten.«
»Was ist Eure Ansicht?«, fragte Rodolfo.
»Wir haben itzo noch nicht viel Zeit für Nachforschungen gehabt«, erwiderte Dethridge. »Gebt uns ein wenig mehr davon und dann will ich Euch raten.«
»Nun gut«, sagte Rodolfo. »Aber ich muss dem Herzog bald eine Nachricht zu
kommen lassen. Ich wünschte, ich könnte bei Euch in Remora sein. Ich würde das Mädchen gern kennen lernen.«
»Sie hat mehr das Aussehen eines Knaben, sollte ich Euch sagen«, erläuterte Dethridge. »Ein Knabe, der Pferde liebt.«
Die Gruppe in Santa Fina mochte sich nur ungern trennen. Gaetano wollte, dass die Manusch zum Palast seines Onkels mitkämen, Lucien wollte sie zu
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