Stadt der Sterne strava2
hatte.
Georgia verbrachte fast den gesamten Sonntag im Bett. »Hab doch gesagt, dass sie was ausbrütet«, sagte Russell und fügte halblaut hinzu: »Irgendein Monster oder so was.«
»Mach doch kein Theater«, sagte Georgia zu ihrer Mutter.
»Es geht mir gut. Ich hab nur ’ne schlechte Nacht hinter mir. Ich nehm meine Schulsachen mit ins Bett und lern ein bisschen.«
Doch obwohl sie an einen Berg von Kissen gelehnt und von Büchern und Heften umgeben dasaß, versuchte sie fast den ganzen Vormittag einen Plan von Remora zu skizzieren. Sie zeichnete einen kreisförmigen Grundriss auf ihr liniertes Papier und teilte ihn von oben nach unten. »Strada delle Stelle«, schrieb sie, »Sternenstraße.« Sie zeichnete das Sonnentor im Norden und das Tor des Mondes im Süden ein und in der Mitte ihrer Verbindungslinie zog sie einen kleinen Kreis, der den Campo darstellen sollte.
Dann teilte sie den großen Kreis in zwölf Segmente auf. Sie wusste, wo die Bezirke Widder und Zwillinge lagen und ungefähr, wo sie aus dem Bezirk der Fische in den des Schützen entkommen waren. Doch die anderen Bezirke einzuzeichnen war schwieriger.
Sie erinnerte sich an einen alten Kindervers über die Sternzeichen und so ergab sich eine Reihenfolge: Widder und Stier, Zwilling und Krebs, Löwe und Jungfrau, Waage und Skorpion, Schütze und Steinbock, Wassermann und Fische. Der einzige Unterschied zwischen den talianischen Tierkreiszeichen und denen, die Georgia kannte, war der, dass die Remaner Löwin statt Löwe sagten. Als sie alles eingezeichnet hatte, war es klar, dass Remora wie die astrologische Karte eines Jahres angeordnet war. Der Widder lag links in der Mitte, im Westen der Stadt.
Gut, das sollte ich mir merken können, dachte Georgia. Paolo hatte ihr eingeschärft, dass sie nichts nach Talia mitbringen durfte außer ihrem Talisman und den Kleidern, die sie zum Zeitpunkt der Stravaganza anhatte. Sie war jedes Mal in ihren talianischen Jungenkleidern angekommen, die jedoch über ihren Kleidern saßen, so wie sie diese das erste Mal angezogen hatte.
Also konnte sie die Karte nicht mitnehmen, aber sie fühlte sich schon sicherer, nachdem sie sie gezeichnet hatte. Auf ein neues Stück Papier schrieb sie alles auf, was sie über jeden Bezirk wusste, aber es gab riesige Lücken. Über den Widder wusste sie am meisten. »Gegner: Fische«, schrieb sie auf, »Verbündete: Schütze und Löwin.«
Plötzlich begriff sie, warum. Georgia glaubte zwar nicht an Astrologie, aber sie las trotzdem jeden Tag ihr Horoskop in der Zeitung, wie die anderen in der Familie, und sie erinnerte sich, dass Maura ihr einmal erzählt hatte, dass jedes Tierkreiszeichen entweder zu Erde, Feuer, Wasser oder Luft gehörte – jedes Element hatte drei Zeichen.
»Wir sind beide Luft-Zeichen«, hatte sie zu Georgia gesagt. »Zwillinge für dich und Waage für mich.«
»Oje!«, sagte Georgia jetzt vor sich hin. »Ich bin Zwilling – ich gehöre zu den Chimici!«
Doch nachdem sie kurz überlegt hatte, kam sie darauf, dass das nicht stimmen konnte. Wie leidenschaftlich sich die Remaner auch einem Bezirk zugehörig fühlten, sie konnten es ja nicht hinbekommen, dass alle ihre Kinder unter dem passenden Sternzeichen geboren wurden. Trotzdem, das Muster der Partnerschaften stimmte. Sobald ihr wieder eingefallen war, dass Widder, Löwe und Schütze Feuerzeichen waren, erschien es logisch, dass sie verbündet waren. Nach einer Viertelstunde hatte sie die Verbündeten aller Bezirke heraus. Gegner waren da schon schwieriger, aber sie erinnerte sich an das, was Cesare über die Zwillinge und die Jungfrau gesagt hatte.
»Der Gegner ist einem diametral entgegengesetzt, wie Feuer und Wasser«, rief sie aus. »Also müssen Erde und Luft auch Gegner sein. Und außerdem scheint der Gegner der nächste Nachbar zu sein – Widder und Fische, Stier und Zwillinge, Krebs und Löwin.«
»Kannst du nicht leise arbeiten?«, schrie Russell und polterte im Vorübergehen an ihre Tür.
»Feinde!«, zischte Georgia. Sie und Russell waren mehr als nur Gegner, kein Zweifel. Die Bezirke Remoras hatten eine Geschichte, die hunderte von Jahren alt war, doch Georgia und Russell hatten die letzten vier mit so viel Hass angefüllt, dass sie Jahrhunderte aufgeholt hatten. Aber wer sind meine Verbündeten?,
dachte Georgia und sie sah plötzlich Mortimer Goldsmith mit seiner Halbmond-Brille vor sich und musste lächeln. Eine Auseinandersetzung zwischen ihm und ihrem Stiefbruder wollte sie sich
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