Stadt der Sterne strava2
auch vermisste, so wohltuend war es doch, mit einem Talianer aus einer Herzogfamilie zusammen zu sein, der wusste, was es bedeutete, eine Rolle in der Gesellschaft spielen zu müssen. Immer wieder musste sie daran denken, dass sein Vater ja angeblich für den Mord an ihrer Mutter verantwortlich war.
Und auch Gaetano konnte das nie vergessen. Er kannte das Gerücht, dass Herzog Niccolò jemanden beauftragt hatte Ariannas Mutter in die Luft zu sprengen.
Genau das war es ja, was die Heiratspläne seines Vaters jetzt so empörend machte.
»Was haltet Ihr von dem jungen Spross aus der Familie unserer Feinde?«, fragte eine Besucherin Rodolfos eines Abends beim Diner. Sie war gekleidet, wie es bei talianischen Witwen üblich war: in dunkle Farben und einen zarten Schleier. Doch ihr kobaltfarbenes Kleid war stilvoll geschnitten und sie trug ein Saphirarmband.
Der Regent war nervös. »Du weißt doch, dass du mich hier nicht besuchen solltest, Silvia«, sagte er leise. »Das ist zu riskant.«
»Ich habe ihn auf dem Kanal mit der törichten jungen Frau gesehen, die bei der Wahl gegen Arianna angetreten ist«, sagte Silvia und überging seine Bemerkung einfach. »Aber inzwischen scheint er der Duchessa auch viel Aufmerksamkeit entgegenzubringen.«
»Er ist ein prächtiger junger Mann«, sagte Rodolfo. »Nicht wie sein Vater oder sein Vetter, der Botschafter. Aber ich glaube, er folgt noch immer den Anweisungen seiner Familie statt seinem Herzen.«
Silvia neigte den Kopf. »Vielleicht ist es das, was Menschen seines Standes – und Ariannas Standes – tun sollten. Es steht mehr auf dem Spiel als schwärmerische Liebe.«
»Willst du ernsthaft vorschlagen, sie solle ihn erhören?«, fragte Rodolfo.
»Ich schlage nur vor, dass ihr beide, du und sie, sorgfältig nachdenken solltet, ehe ihr ihn abweist«, erwiderte Silvia. »Mir haben die Chimici nie einen Ehever
trag angeboten. Es könnte doch ein interessanter Weg sein.«
An einem Freitag, fast zwei Wochen, nachdem sie nach Devon aufgebrochen war, nahm Georgia mit Alice den Zug nach Paddington. Georgia war am nächsten Tag für eine Reitstunde eingetragen und wollte sie nicht versäumen; sie hatte sie schon um ein Wochenende verschieben müssen. Es war Anfang August und wieder daheim zu sein war merkwürdig. Maura und Ralph und Russell arbeiteten noch und deshalb fuhren die Mädchen mit der U-Bahn nach Islington. Dort umarmten und verabschiedeten sie sich vor der Station. Am Sonntag wollten sie sich wieder treffen. Georgia schloss das leere Haus auf. Es fühlte sich völlig fremd an – weder wie Devon noch wie Remora. Georgia kam sich wie eine Besucherin vor. Schweigend ging sie hinauf in ihr Zimmer und betrachtete ihre Poster und ihr Pferdebild, bis sie spürte, wie allmählich die Normalität zurückkehrte. Sie beschloss noch in dieser Nacht ein Datum für Falcos Stravaganza festzulegen.
Niccolò di Chimici suchte Enrico in den Stallungen von Santa Fina auf. Meistens fand man ihn tagsüber, wie er mit Nello tratschte.
»Wie geht es dem neuen Pferd?«, fragte der Herzog die beiden.
»Sie macht sich ganz gut«, sagte Nello.
»Viel besser, seit ich sie nachts fliegen lasse«, fügte Enrico hinzu. »Sie ist inzwischen nicht mehr an der Longe. Ich reite sie. Dia, das ist vielleicht ein Erlebnis!«
»Das bezweifle ich nicht«, sagte der Herzog. »Vielleicht bleibe ich mal über Nacht hier und mache selbst einen Reitversuch.«
»Ähm, sie verträgt noch nicht sehr viel Gewicht«, warf Enrico ein, »sie wächst ja noch. Mit so einem dürren Hänfling wie mir geht das schon, aber ein so stattlicher, gut gebauter Herr wie Euer Gnaden ist vielleicht noch ein bisschen viel für sie.«
»Lassen wir das jetzt«, sagte Niccolò. »Ich wollte über etwas anderes mit dir reden. Man hat mir zugetragen, dass mein Sohn hier fast jeden Tag Besuch empfangen hat. Ich will, dass du herausfindest, was sie hier machen und warum er sich ihnen anschließt.«
Enrico nickte. »Ich weiß, wer sie sind, Herr. Sie gehören zum Widder, aber zumindest der eine kommt aus Bellezza. Es handelt sich um Luciano, den Schüler des Regenten.«
»Ah, ja«, sagte Niccolò. »Ich habe ihn kennen gelernt, als mich meine Söhne zum Widder mitgenommen haben, um den Zingaro spielen zu hören. Sein Vater ist ein ältlicher Anglianer. Der andere ist so eine Art Stallknecht, glaube ich.«
»Oha«, sagte Enrico. »Sie behaupten jetzt also, dass der Bellezzaner der Sohn des alten Dottore ist. Das war er aber
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