Stadt der Sterne strava2
gelernt«, sagte Falco. »Und ein bisschen Anatomie, aber vor allem, um zu zeichnen.«
»Ach so, ja«, sagte Lucien. »Du kannst auch Kunst als Schulfach nehmen und Musik.«
»Was ist mit Sprachen?«, fragte Georgia. »Kannst du Französisch? Oder besser, gibt es überhaupt so ein Land wie Frankreich in dieser Welt?«, wandte sie sich an Lucien.
»Sie meint Gallia«, erklärte Lucien.
»Ich kann Gallisch«, sagte Falco. »Reicht das?«
»Das ist ziemlich ähnlich, soviel ich weiß«, meinte Lucien. »So ähnlich wie Talianisch und Italienisch.«
»In Klasse elf kannst du dann Italienisch wählen«, sagte Georgia. »Das könnte zum Beispiel eins deiner Wahlfächer werden. Informatik wird das große Problem werden.«
»Was ist das?«, wollte Falco wissen.
Den restlichen Tag verbrachten sie mit dem Versuch, dem jungen Talianer Computer begreiflich zu machen. Er konnte sich einfach nichts darunter vorstellen.
Dann waren da noch das Fernsehen, Mobiltelefone, Fußball, Fastfood, das moderne Geld, elektrisches Licht, CDs, Gameboys, Mikrowellen, Flugzeuge. Falcos Augen wurden immer größer. Auch stellten sie fest, dass es große Probleme in Geschichte und Geografie geben würde. Sie hatten vier Jahrhunderte, von denen er nichts wusste, und standen am Beginn eines neuen. Und Falcos geografisches Wissen von Talia drehte sich um das, was er das Mittlere Meer nannte, und es beruhte auf Globen, die er daheim in Giglia hatte.
Andrerseits war er klug und hatte eine schnelle Auffassungsgabe. Sport würde nicht in Frage kommen, bis sein Bein gerichtet wäre, daher konnte er zusätzliche Zeit in der Bücherei verbringen und aus Büchern und dem Internet lernen. Das Internet fand Falco natürlich auch schwer zu verstehen. Wie Rodolfo, dem Lucien das einmal erklären wollte, stellte sich auch Falco ein großes Spinnennetz vor und konnte nicht fassen, dass jeder es zu Auskünften anzapfen konnte.
»Ist es nicht den Mächtigen vorbehalten?«, fragte er einmal. Sowohl Georgia als auch Lucien überlegten, dass Niccolò di Chimici, sollte es je ein talianisches Äquivalent zum weltweiten Netz geben, das bestimmt unter seine Kontrolle bringen wollte. Aber sie sprachen den Gedanken vor Falco nicht aus.
Als sie eines Tages auf dem Rückweg nach Remora waren, schnitt Lucien ein Problem an, das ihn schon die ganze Zeit beschäftigt hatte, seit Falco sie um ihre Hilfe gebeten hatte.
»Du redest immer so, als würde er irgendwo in Islington wohnen, aber wo denn nur?«, fragte er Georgia. »Was wird mit dem behinderten Jungen aus Talia geschehen, der plötzlich aus dem Nichts auftaucht?«
Georgia überlegte, wie viel sie Lucien von ihrem Plan schon mitgeteilt hatte. »Du weißt doch, dass meine Mutter Sozialarbeiterin ist? Sie ist genau genommen Leiterin der Abteilung, die sich um Pflegestellen und Adoption kümmert. Ich versuche es so zu deichseln, dass sie ihm ein Zuhause besorgt. Am besten wäre es, so zu tun, als habe er das Gedächtnis verloren. Dann ist es doch egal, ob er von den Behörden Fragen gestellt bekommt, die er nicht beantworten kann.«
Falco wurde auf einmal von seltsamen Träume heimgesucht. Immer wieder war er plötzlich in einem Tunnel, in dem ein fauchender Drache auf ihn zustürzte. Er steckte in einer winzigen Kapsel, die mit unheimlicher Geschwindigkeit auf und ab schwebte. Und dann war er mit einem Mal am oberen Ende eines silbern schimmernden Treppenhauses, das unter ihm wegsackte. Seine Stöcke entglitten ihm und er stürzte kopfüber hinterher. Dann wachte er schweißgebadet und in Panik auf.
Und wenn es ihm gelang, danach wieder einzuschlafen, setzte oft ein anderer Traum ein. Da hörte er einen klagenden Schrei und ein Rauschen wie von riesigen schlagenden Flügeln. Aber er wusste, dass das Geräusch nicht von einem Vogel kam, auch wenn er kurz vor Ende des Traums noch einen Blick auf schwarzes Gefieder erhaschte.
Gaetano führte in Bellezza immer noch ein Doppelleben. Die Abende verbrachte er meistens mit der jungen Duchessa, der er den Hof machen sollte, und jeden Tag war er mit der Cousine zusammen, die er immer noch genauso liebte wie damals, als sie als Kinder miteinander gespielt hatten.
Doch seine Gefühle für Arianna wandelten sich. Und ihr ging es genauso. Er war ein liebenswerter und geistreicher Gesellschafter, sehr klug und unterhaltend. Je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto weniger hässlich kam er ihr vor. Ja, sie freute sich sogar auf die Abende mit ihm. Und sosehr sie Lucien
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