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Stadt der tausend Sonnen

Stadt der tausend Sonnen

Titel: Stadt der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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eine Chance sah, seinen Freund zu rächen.
    »Warum warnst du mich dann?«
    Kino zuckte die Schultern. »Ich warne andere immer, das mußt du doch wissen.« Ihm wurde klar, daß er seinen Bluff nicht länger durchhalten konnte. »Wiedersehen – hoffe ich für dich«, fügte er rasch hinzu und machte sich eilig aus dem Staub. Ich habe ihm ganz schön Angst eingejagt, dachte er zufrieden.
    Wer weiß schon, was einen Menschen dazu bringt, ein bestimmtes Erlebnis aus einer bestimmten Sicht zu betrachten? Ein großer Teil seiner Reaktion ist gewiß völlig vom Zufall abhängig.
    Jeof stand allein auf dem Kopfsteinpflaster. Kinos Worte gingen ihm im Kopf um. Wieder ballte er die Hände und murmelte: »Wenigstens bin ich stolz.« Er blickte auf und plötzlich verzog sein Gesicht sich zu einem undeutbaren Ausdruck. »Sie werden mich nie finden«, flüsterte er und stapfte davon.
    Es läßt sich auch nicht sagen, welche Richtung seine Wut nahm und welche Überlegungen ihn zu Schlüssen und Fehlschlüssen trieben.
    Zwei Blocks weiter erstand Jeof von einem Hehler eine kleine, aber sehr wirkungsvolle Handgranate. In sein Kellerloch konnte er nicht zurückkehren, denn dort würden sie als erstes nach ihm suchen. Auch in den Gassen war er nicht sicher. Ein Tor zu einem der Piers stand zufällig offen. Er überquerte die Straße und schlich hindurch. Nur ein Boot hatte hier angelegt. Jeof zögerte. Der Kapitän dieses kleinen Interinselschiffs war ziemlich sorglos, er hatte keinerlei Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Wahrscheinlich gibt es auf dem schäbigen Kahn ohnehin nichts zu stehlen, dachte Jeof und kletterte an Deck.
    Das Boot schaukelte in den leichten Wellen. Jeof rieb die Granate gegen seinen Oberschenkel. Zu einer anderen Zeit hätte er sicher die Fenster eingebrochen oder Kleinholz aus dem Deck gemacht. Heute hatte er nur den Wunsch, sich zu verkriechen. Als er die Luke zum Laderaum erreichte, ließ ihn ein durchdringendes Pfeifen hochblicken. Und dann sah er hinter den Häusern im Hafen, ziemlich entfernt, eine Explosion. Er biß sich verärgert auf die Unterlippe. Schon wieder ein verrückter Bombenangriff! Aber sollten sie doch die ganze Stadt in die Luft jagen! Vielleicht lenkte das die Meute von ihm ab, weil ihnen das Plündern wichtiger war. Er kletterte in den dunklen Laderaum hinunter und kauerte sich in eine klamme Ecke. Die Granate behielt er in der Hand.
     
    Let rannte durch den aufsteigenden Rauch. Er reizte seine Nase und schmerzte in der Kehle. »Petra? Wo bist du, Petra?« brüllte er.
    Rechts von ihm drang Licht aus einer sich öffnenden Tür. Hustend rannte jemand gegen ihn. »Let, was in aller Welt …?«
    »Wir wurden bombardiert, Petra! Wir! «
    Der Wind riß den Rauch vor ihren erstaunten Gesichtern zur Seite. Petra schrie auf. Ein Teil der Decke und der gegenüberliegenden Wand war eingebrochen. Als die Stromkabel rissen und das Licht im Saal ausging, sahen sie den Himmel über sich.
    Sie faßte ihn an der Schulter und rannte durch den Saal, während hinter ihnen das Krachen einstürzender Mauern noch lauter wurde. Sie wollte die linke Treppe hoch.
    »Petra!« Let hielt sie zurück. »Wir können hier nicht durch.« Die Stufen waren durch Mauerstücke blockiert. Sie kletterten über zerschmetterte Pfeiler und den rechten Treppenaufgang hoch. Erst als sie an einem Palastwächter vorbeikamen, der zusammengekrümmt unter Trümmerstücken lag, schlug die Angst in ihnen hoch.
    »Wo wurden wir getroffen, Petra? Bombardieren sie immer noch?«
    Als Antwort schüttelte ein Donnern den Saal. Es regnete Glas um sie – das Kristall des Deckenchronometers war geborsten. In einem anderen Raum, am Ende des Korridors, vielleicht, schrie jemand.
    »Was ist mit dem Ratsflügel?« fragte Let, als sie die nächste Treppe hinunterliefen.
    »Ich glaube, dort hat die erste Bombe eingeschlagen.«
    »Sonst wären wir bereits tot. Komm hierher.« Sie liefen durch eine Tür, die zur Galerie des Thronsaals führte.
    »Petra!« rief Let erschrocken. Er deutete hinunter in den Saal. Nur eines der Lichter brannte noch am Ende des Raumes. Die langen Schatten mehrerer Menschen huschten über den Boden. »Petra! Schau doch!«
    Sie blieb neben ihm an der Brüstung stehen.
    »Was tun sie, Petra? Wer sind sie?« Sie legte stumm die Hand auf seine Schulter. »Was ist …?« Er duckte sich, genau wie sie.
    »So bald«, wisperte sie. Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind schon hier.«
    »Wer sind sie?«
    Die Leute unten sahen sich

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