Stadt der Vampire
Diesel an, aber nur, weil der Mann aufs Klo musste. Justus konnte das in der stillen Nacht an eindeutigen Geräuschen zweifelsfrei feststellen. Um drei Uhr kletterte der Erste Detektiv schließlich wieder von seinem Heuboden herunter, schlich sich zu seinen beiden Freunden hoch und weckte nun seinerseits Peter auf.
Der Zweite Detektiv war sofort hellwach. »Hast du ihn gesehen?«
»Nein, du bist dran.«
Peter schluckte die aufkommende Angst hinunter und stand auf. Dann schnappte er sich seine Sachen und stahl sich strumpfsockig die Treppe hinunter.
Er wusste schon ganz genau, wohin er wollte. Das hatte er sich bereits auf der Herfahrt überlegt. Schräg gegenüber von den McDonaghoughs stand die alte Dorfkirche mit ihrem kleinen Friedhof, und auf der anderen Seite des Totenackers erhob sich ein monströser Wasserturm. Dort hinauf führte eine eiserne Leiter, die Peter nun ohne große Mühe erklomm, um sich dann auf einer Plattform, die oben rund um den Wasserspeicher verlief, niederzulassen. Er konnte von dort das halbe Dorf überblicken und wenn er um den Turm herumlief sogar noch weit in das angrenzende Tal schauen.
Aber zu seinem Missfallen ließ das diese Nacht kaum zu. Zwar würde es bald Vollmond geben, sodass es im Grunde nachts im Moment recht hell war, aber das Wetter spielte nicht mit. Immer wieder schoben sich riesige Wolkenfetzen vor den Erdtrabanten, und dann übergoss pechschwarze Dunkelheit das Dorf. Verzogen sie sich, sickerte für ein paar Sekunden das fahle Mondlicht durch die Dunstschleier, bis die nächste Wolkenwand nahte und den Schalter erneut ausknipste.
»Ist ja toll«, schimpfte Peter vor sich hin. »Wie soll man da vorsichtig sein, wenn man nichts sieht?« Er hockte sich im Schneidersitz auf die Balustrade, zog sich die Jacke um die Schultern und starrte in die Finsternis hinaus.
Etwa eine halbe Stunde lang passierte nichts. Es war absolut ruhig, so ruhig, wie es nur in diesen letzten Stunden vor Sonnenaufgang sein kann.
Doch plötzlich – Peter wollte gerade seinen Standort wechseln – hörte er etwas. Das Geräusch war nur ganz kurz zu vernehmen. Es klang wie ein … Schaben, ein dumpfes Scheuern. Kurz darauf kehrte wieder absolute Stille ein.
Der Zweite Detektiv kniete sich hin und hielt die Luft an, um noch besser hören zu können. Gerade hatte sich wieder eine dicke, schwarze Wolke vor den Mond gelegt, sodass man nur ganz undeutlich die Konturen der Häuser ausmachen konnte. Ansonsten war es dunkel, stockdunkel.
»Sicher eine Katze«, sprach sich Peter Mut zu, »oder ein Waschbär.« Er lauschte in die Nacht hinaus.
Fünf Minuten tat sich nichts mehr. Dann hörte er wieder etwas. Es war ein Kratzen, und jemand … stöhnte!
Peter zuckte zusammen. Von wo kam das Geräusch? Von wo? Angsterfüllt sah er sich um. Er hob das Walkie-Talkie an den Mund, legte den Finger auf die Sprechtaste und – in diesem Augenblick brach die Wolkendecke auf! Blasssilbriges Mondlicht überströmte Yonderwood, floss vom Ortseingang her zur Mitte des Dorfes, erfasste den steinernen Löwen, beschien Peter auf seinem Wasserturm und entriss nun den Kirchturm der Dunkelheit.
Und da stand sie! In einer Fensterhöhlung des Kirchturms! Hoch aufgerichtet, drohend, beinahe majestätisch breitete eine riesige, mannsgroße Fledermaus ihre mächtigen Schwingen aus, schlug zweimal, zerteilte rauschend die bleiche Luft und stieß sich dann ab in den von Wolken zerrissenen Nachthimmel! Fast lautlos schwebte sie nach unten. Nur ein leises Surren war zu hören.
Peter folgte ihr wie gelähmt. Die Fledermaus segelte quer über die Dorfstraße, breitete zur Landung ihre Schwingen aus und kam wenige Meter vor einem Haus auf dem Boden auf. Es war das Haus der McDonaghoughs!
Dunkelheit! Schlagartig war es wieder finster geworden. Doch Peter starrte immer noch dorthin, wo er gerade das Unglaubliche gesehen hatte, das, wovor er am meisten Angst gehabt hatte, das, was es eigentlich nicht geben durfte!
Es dauerte eine ganze Minute, bis er sich aus seiner Starre so weit lösen konnte, dass er in der Lage war, in sein Sprechfunkgerät zu hauchen: »Ha…hallo! Er war da! Er war … da!«
Wenige Sekunden später knackte es am anderen Ende der Leitung. »Peter? Bist du das?«, fragte Justus schläfrig.
»Er war da!«, wiederholte der Zweite Detektiv heiser.
»Was sagst du? Red doch mal lauter! Ich hör fast nichts. Wer war da?«
»Der … Vampir … er ist gerade –« Unvermittelt hielt Peter inne. Wie ein
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