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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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davon besessen? Hat sie es aufgegeben?“
    „Ja, das hat sie. Lass mich nachdenken.“ Lilah machte eine Pause. „Etwa zu der Zeit, als du zur Universität gegangen bist.“
    Das bedrückte Avery. Nachdem sie weggegangen war, also nach ihrem Streit. Nachdem Mom sich ihr anvertraut hatte und dafür Skepsis und Verachtung geerntet hatte.
    „Sie hat nie darüber gesprochen, weißt du“, fuhr Lilah fort. „Mir ist nur irgendwann aufgefallen, dass sie kein Tagebuch mehr mit sich herumtrug. Als ich sie darauf ansprach, sagte sie, sie habe das Schreiben aufgegeben.“
    „Lilah, hast du eine Idee, wo sie oder Dad die Tagebücher aufbewahrt haben könnten?“
    „Aufbewahrt?“ wiederholte Lilah hörbar verwirrt. „Wenn sie nicht im Haus sind, haben sie die Bücher vermutlich weggeworfen. Oder dein Dad hat es nach ihrem Tod getan.“
    Avery war unbehaglich bei dem Gedanken. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass einer von beiden …“
    „Wir haben alle gestaunt, wie stark er war, als er ihre Sachen ausgeräumt hat. Die ständigen Erinnerungen waren wohl zu schmerzlich für ihn.“
    Als die Türglocke läutete, beendete Avery das Gespräch und öffnete.
    Hunter stand auf der Schwelle. Sie sah durch die Drahttür sein zerschundenes Gesicht. „Mein Gott, was ist denn mit dir passiert?“
    „Das ist eine lange Geschichte. Darf ich hereinkommen?“ „Ich halte das für keine gute Idee.“
    Er wandte kurz den Blick ab und sah sie wieder an. „Ich habe ein Problem, Avery. Und das hat mit dir zu tun.“
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Mit mir?“
    „Matt hat mir heute Morgen zu verstehen gegeben, dass ich eigentlich schon tot sei. Ich muss ihm in gewisser Weise Recht geben.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Ich fühle mich wie tot, außer wenn ich mit dir zusammen bin.“
    Das Geständnis traf sie so unvorbereitet, dass sie sich wie benommen am Türrahmen abstützte. Sekundenlang schwiegen sie sich nur an.
    „Avery“, sagte er schließlich leise. „Bitte!“
    Wortlos schwang sie die Tür auf. Da sie nicht wusste, ob sie einen Freund oder einen Feind einließ, folgte sie ihrem Instinkt. Oder besser gesagt, einer leisen Sehnsucht. Sie trat zur Seite, als Hunter hereinkam, schloss mit zittriger Hand die Tür und nutzte den Moment, da sie keinen Blickkontakt hatten, um das innere Gleichgewicht wieder zu finden. Nachdem sie den Riegel vorgeschoben hatte, wandte sie sich Hunter zu. „Ich mache uns einen Eistee.“
    Ohne auf seine Antwort zu warten, ging sie in die Küche. Avery war sich bewusst, dass Hunter ihr folgte und sie beobachtete, als sie Eistee in zwei Gläser gab und eine Zitronenscheibe hinzufügte. Sie räusperte sich, drehte sich um und reichte ihm sein Glas.
    Als er es annahm, berührten sich ihre Finger. Hunter trank, und die Eiswürfel schlugen klimpernd gegen das Glas.
    Avery wandte den Blick ab. „Du hast dich heute Morgen mit Matt gestritten.“
    Obwohl es keine Frage war, antwortete er. „Ja, wegen dir.“
    „Verstehe.“
    „Wirklich?“
    Sie befeuchtete sich die Lippen, den Blick abgewandt. „Er wollte wissen, wo ich vorgestern Nacht war.“ „Und, hast du es ihm gesagt?“
    „Natürlich. Ich war zu Hause und habe gearbeitet. Allein.“ Er stellte sein Glas auf den Tresen. „Ich habe dir heute Morgen die Wahrheit gesagt. Trudy Pruitt hat mich angerufen, aber ich weiß nicht, warum. Vermutlich wollte sie Rechtsbeistand. Ich habe den Anruf erwidert, aber ich habe die Frau nie persönlich kennen gelernt, geschweige denn umgebracht.“
    „Denkt Matt, dass du sie getötet hast?“
    „Jedenfalls möchte er das denken.“
    Instinktiv verteidigte sie Matt. „Das bezweifle ich, Hunter. Er ist dein Bruder. Er macht nur seine Arbeit.“
    „Bewahre dir deine Illusion, wenn du dich dabei besser fühlst. Er hat den Anrufbeantworter offenbar noch nicht abgehört. Wie auch immer, wirst du ihm von der Nachricht erzählen?“
    Keinesfalls, wie sie sich plötzlich eingestand. Und das nicht nur, weil sie damit zugab, einen abgesperrten Tatort betreten zu haben. Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
    „Ich muss dich etwas fragen.“
    „Bitte.“
    „Schläfst du mit ihm?“
    „Das ist eine ziemlich dämliche Frage, angesichts der Situation.“ „Er benimmt sich, als gehörtest du ihm.“ „Du auch.“
    Hunter machte einen Schritt auf sie zu. „Aber wir schlafen miteinander.“
    „Wir haben miteinander geschlafen“, korrigierte sie ihn. „Einmal. Außerdem – würde es dir

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