Stadt des Schweigens
was ausmachen, wenn ich mit Matt
schliefe?”
„Auch das ist eine ziemlich dämliche Frage.“ „Nein, ich schlafe nicht mit ihm.“
Er legte ihr eine Hand in den Nacken und zog sie zu sich heran. „Ja“, sagte er leise, „es würde mir etwas ausmachen.“
Mit Herzklopfen ließ sie einen Finger über sein blutunterlaufenes Kinn gleiten. „Wer hat den ersten Schlag gemacht?“
„Er. Aber ich habe ihn provoziert.“
Sie lachte leise. Nicht weil es lustig war, sondern weil es so typisch war für die beiden Jungs, die sie von früher kannte. „Ehrlich gesagt siehst du aus, als hätte er dich ganz schön vermöbelt.“
„Ja, aber du solltest ihn erst sehen.“
Erneut lachte Avery. „Übrigens, ich glaube dir, was den Anruf bei Trudy Pruitt betrifft.“
„Danke.“ Ein Lächeln spielte um seinen Mund. „Heißt das, wir können, das ,haben miteinander geschlafen’ wieder durch das ,wir schlafen miteinander’ ersetzen?“
„Du bist schrecklich.“
Hunter wurde ernst. „Matt hat mir vorgeworfen, ich sei eifersüchtig auf ihn, wegen seiner Beziehung zu unseren Eltern und zu dir. Er deutete an, dass Neid die Wurzel aller Probleme zwischen uns sei und ich mich ausschließlich deinetwegen von der Familie zurückgezogen hätte.“
Sie legte die Hände gegen seine Brust, die Rechte auf seinem Herzen. „Und was hast du erwidert?“
„Das sei Scheißdreck.“ Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände. „Ich habe dich immer gewollt, aber du hattest dich für Matt entschieden, und das habe ich respektiert. Er ist mein Bruder.“
Seine Aufrichtigkeit rührte Avery. Sie sagte etwas über ihn als Menschen aus und über seine Beziehung zu Matt.
Angesichts ihrer Gefühle für Hunter fragte sie sich, was damals geschehen wäre, wenn er sich ernsthaft um sie bemüht hätte. Wo wären sie dann heute?
„Was ist mit euch, Avery? Ich muss wissen, ob du noch zu meinem Bruder gehörst.“
Sie antwortete, indem sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn innig auf den Mund küsste. Als sie die Hände um seine Schultern legte, zuckte er zusammen.
Avery wich zurück. „Du hast Schmerzen.“
„Es ist nichts. Nur ein paar Schnitte.“
„Dreh dich um.“ Da er widersprechen wollte, unterbrach sie ihn. „Sofort bitte.“
Als er sich umdrehte, zog sie sein Hemd hoch und stöhnte auf. Die Schnitte waren über Rücken und Schultern verteilt, einige gezackt und ziemlich tief. „Wie ist das passiert?“
„Das ist keine große Sache.“
„Ist es doch. Eine ziemlich große sogar.“ Vorsichtig berührte sie mit dem Zeigefinger einen besonders hässlichen Schnitt. „Ein paar sehen ganz schön tief aus. Die müssten genäht werden.“
„Nur Memmen werden genäht.“ Er warf ihr über die Schulter einen finsteren Blick zu. „Die Splitter habe ich schon herausgezogen. So gut es ging jedenfalls.“
„Komm mit.“ Sie führte ihn ins Bad und wies ihn an, sich zu setzen. „Zieh dein Hemd aus.“
Sie holte Bandagen, Pflaster, Desinfektionsmittel und eine Pinzette aus dem Medizinschrank.
Er beäugte die Pinzette. „Was hast du vor?“
Sie ignorierte die Frage. „Es könnte wehtun.“
Hunter sprang fast vom Hocker, als sie mit der Pinzette zu bohren anfing. „Könnte wehtun? Ein bisschen vorsichtiger, wenn ich bitten darf!“
Sie hielt bereits den herausgefischten Glassplitter hoch. „Wie, sagtest du, ist das passiert?“
„Matt und ich sind aufeinander losgegangen, dabei ist Glas zerbrochen … He! Autsch!“
„Großes Baby.“ Sie warf einen zweiten Splitter in den Abfall. „Ihr zwei habt also Glas zerbrochen und euch darin gewälzt.“
„So in etwa.“
„Sehr intelligent.“
„Du hättest dabei sein müssen.“
„Nein, danke.“ Sie sah sich die restlichen Verletzungen an, fand kein Glas mehr und reinigte die Wunden. Bei jeder Berührung mit dem Wattebausch, den sie mit Desinfektionsmittel getränkt hatte, zuckte Hunter zusammen.
„Ich begreife das nicht“, sagte sie leise und war so vorsichtig wie nur möglich. „Du kannst dich in Glas herumwälzen, aber bei ein bisschen Desinfektionsmittel möchtest du stiften gehen.“
„Stiften gehen? Ausgeschlossen. Das wäre nicht männlich.“
„Da kann ich nur sagen, dem Himmel sei Dank für das weibliche Geschlecht.“ Sie gab das letzte Pflaster auf einen Schnitt. „So, fertig.“
Hunter zog sie an der Hand herum auf seinen Schoß. „Da stimme ich dir vollkommen zu“, bestätigte er leise. „Dem Himmel sei Dank.“
Sie liebten sich
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