Stadt des Schweigens
blauen Frühlingshimmel empor. Dann kamen die beiden Feuerwehrwagen in Sicht, ein Löschzug und ein Wasserwagen. Ein halbes Dutzend Feuerwehrleute in Anzügen und Helmen sprühte Wasser in die tanzenden Flammen.
Dann erst sah sie das Haus, nun völlig von Feuer eingeschlossen, und war entsetzt. Bis jetzt hatte sie gehofft, alles sei ein Irrtum. Nun war es Realität.
Matt hatte kaum den Wagen angehalten, als sie schon heraussprang. Hitze und beißender Qualm schlugen ihr entgegen. Sofort brannten ihr Augen und Kehle. Sie schlug eine Hand vor den Mund, um nicht in Tränen auszubrechen.
Ringsum hatten sich Nachbarn versammelt, und ihre Mienen drückten von Angst über ungläubiges Entsetzen bis zu Faszination alles aus. Flüchtig sahen sie zu ihr hinüber und wandten die Blicke gleich wieder ab. Als schämten sie sich, als würde diese Tragödie auch zu ihrer werden, sobald sie ihr in die Augen sahen. Und sie schämten sich ihrer Dankbarkeit, weil diese Katastrophe ihr widerfuhr und nicht ihnen.
Wenn sie wegsehen, können sie vielleicht so tun, als würde es nicht geschehen.
Trotz der Hitze schlang Avery fröstelnd die Arme um sich. Alles verloren, dachte sie. Die Sachen der Eltern, Erinnerungsstücke, die Fotos, die sie sich heute Morgen noch angesehen hatte, alles unwiederbringlich dahin.
Nun besaß sie nichts mehr, das sie an ihre Eltern erinnerte.
„Warte hier“, sagte Matt. „Ich schaue mal nach, ob ich helfen kann.“ Er zögerte und fragte besorgt: „Alles in Ordnung?“
Sie stieß ein leises, fast hysterisches Lachen aus. Oh sicher, dachte sie, mir geht es prima.
„Alles in Ordnung“, presste sie hervor. „Geh nur.“
Er drückte ihr die Hand und verschwand. Sie sah ihm nach und drehte sich um, als sie ihren Namen hörte. Buddy war gekommen und eilte auf sie zu.
Avery lief ihm entgegen, und er umarmte sie und drückte sie an sich. „Als der Anruf kam, hatte ich schreckliche Angst um dich. Keiner wusste, ob du im Haus bist. Gott sei Dank bist du in Ordnung. Gott sei Dank!“
Sie klammerte sich an ihn. „Was soll ich nur tun, Buddy? Ich habe alles verloren.“
„Uns nicht, mein Mädchen“, betonte er. „Uns hast du nicht verloren.“
„Wohin soll ich gehen? Wo ist jetzt mein Zuhause?“ „Du kannst bei uns bleiben, solange du möchtest. Wir sind deine Familie, Avery. Das wird sich nie ändern.“ „Miss Chauvin?“
Avery sah über die Schulter und entdeckte John Price, den Feuerwehrmann, den sie bei der Totenwache ihres Vaters kennen gelernt hatte. Er nahm seinen Helm ab. Sein dunkles Haar klebte ihm schweißnass am Kopf. Sein Gesicht war rußgeschwärzt. „Tut mir Leid, dass wir es nicht retten konnten. Tut mir echt Leid.“
Sie nickte nur, den Tränen nahe. Als sie den Blick umherschweifen ließ, entdeckte sie Ben Mitchell, den Brandsachverständigen. Er war soeben angekommen und sprach mit Matt. Beide verschwanden um die Hausecke.
„Wissen Sie, wie es passiert ist?“ fragte sie den Feuerwehrmann.
Er schüttelte nur langsam den Kopf. „Die Brandexperten übernehmen das jetzt.“
„Ich verstehe nicht, wie es dazu kommen konnte. Ich war heute Morgen zu Hause. Ich habe an meinem Laptop gearbeitet und mir Kaffee gemacht. Alles war in Ordnung.“
Beunruhigt schob der Mann den Helm von einer Hand in die andere. „Das ist schon sehr eigenartig, wenn man an den Tod Ihres Vaters denkt.“
Erst verbrennt Dad und jetzt sein Haus.
Diese Verbindung herzustellen, war erschreckend.
Da ihn ein Kollege rief, sagte er: „Ich muss jetzt gehen. Ben ist gut, er wird es schon herausfinden.“
Buddy legte ihr einen Arm um die Schultern. „Da kommen Matt und Mitchell.“
Avery drehte sich um und wartete. Als die beiden Männer zu ihnen stießen, tauschte Matt einen ernsten Blick mit Buddy.
„Sieht nach Brandstiftung aus, Avery“, sagte Matt. „Der Täter hinterließ einen Benzinkanister.“
„Brandstiftung“, wiederholte sie. „Aber warum … wer …“
„Können Sie uns sagen, wo Sie in den letzten Stunden waren?“ fragte Ben Mitchell.
„Ja, ich …“
Habe Tagebuch gelesen. Bin zum Gästehaus gegangen, habe Gwen gesucht und ihr eine Nachricht hinterlassen.
Hunter. Gwens Name und ihre Zimmernummer liegen auf einem Stück Papier neben dem Computer.
„Avery?“ Matt legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du hast vorhin etwas über Hunter gesagt. Du wolltest wissen, wie ich es herausgefunden hätte. Was hast du gemeint? Was hätte ich deiner Meinung nach herausfinden
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