Stadt, Land, Kuss
Tierarzt-Notversorgung«, erklärt sie glücklich, als Alex sich bei ihr bedankt. »Ich habe immer einen kleinen Keksvorrat als Reserve.«
»Na, Frances, schmecken die Kirschen in Nachbars Garten wirklich süßer?«, will Alex wissen.
»Ach, es sind schon ein paar faule dabei«, antwortet sie undiplomatisch und ohne jedes Taktgefühl, und ich zucke innerlich zusammen, weil es Emma gegenüber so unloyal klingt. »Aber ich werde pünktlich bezahlt, und ich brauche nicht mehr Mr Fox-Giffords Wurfgeschossen auszuweichen.«
»Ja, jetzt sitze ich in der Schusslinie. Stifte, Telefone, Notizbücher. Er wirft mit allem, was nicht niet- und nagelfest ist.« Alex dreht sich wieder zu mir um. »Ach, da fällt mir ein … Ich habe Ihnen nicht nur Cheryls Akten mitgebracht. Hier sind auch die Unterlagen zu einem Hund namens Pippin. Sein Besitzer, Mr Brown, hat ebenfalls darum gebeten, die Praxis zu wechseln. Ich bin davon ausgegangen, dass es Ihnen recht ist.«
»Ist es Ihnen denn recht?« Alex ist ganz anders, als ich die Tierärzte von Talyton Manor nach Emmas Schilderungen erwartet hatte. Er ist umgänglich und hat Humor. Außerdem wirkt er erstaunlich entspannt, wenn es darum geht, dem Otter House einige seiner Patienten zu überlassen, und ich beschwere mich nicht darüber. Wir können sie gut gebrauchen – je mehr, desto besser, wenn Sie mich fragen.
»Pippin kommt schon lange zu uns, aber keine Sorge, es ist mir recht, ich wünsche ihm alles Gute.« Alex reicht mir den billigen braunen Umschlag, den er auf dem Empfangstresen abgelegt hatte, nachdem er hereingekommen war. Ein Bündel Papier schaut oben heraus. Dankbar dafür, meine Aufmerksamkeit etwas weniger Verlockendem zuwenden zu können, überfliege ich die ersten Zeilen auf der obersten Seite. Die Schrift ist vollkommen unlesbar. »Ich habe ihm versprochen, einen Termin für ihn auszumachen.«
»Das geht doch ein wenig über reines Pflichtgefühl hinaus, finden Sie nicht?«
»Ich kenne die Browns seit mehreren Jahren – die Frau ist ans Haus gefesselt, und er kümmert sich um sie. Sie haben kein leichtes Leben. Der Hund leidet unter gelegentlichen Schüben von Diarrhö, deren Ursache wir in all den Jahren nicht finden konnten, und ich dachte, wenn ihn sich vielleicht jemand mit einem frischen Blick anschaut …«
»Warum bitten Sie mich dann nicht einfach um eine zweite Meinung?«
»Sie sind die Kleintierspezialistin«, entgegnet Alex, »und für ihn ist es einfacher, kurz hier vorbeizukommen, als zu uns herauszufahren.« Er zögert. »Ich kann Ihnen das Gekrakel übersetzen, wenn Sie wollen – meine Schrift ist eine Katastrophe.«
»Ich sehe mir die Notizen später an.«
»Ich verstehe, Sie haben zu tun.«
Wären da nicht die leeren Käfige auf der Station und die freien Stühle im Wartebereich, hätte ich am liebsten geantwortet: »Ganz recht. Sehen Sie nicht, dass ich vor lauter Arbeit nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht?«, denn die Fox-Giffords sollen auf keinen Fall wissen, dass Emmas Praxis in Schwierigkeiten steckt – das will ich nicht.
»Ich bin mir sicher, dass es bald wieder anzieht …« Alex sieht mich unverwandt an, als wüsste er genau, was in meinem Kopf vorgeht. Sein Blick macht mich verlegen. »Es tut mir leid wegen neulich Abend«, fügt er hinzu. »Ich wurde zu einem Notfall gerufen, schaltete mein Telefon aus und habe vergessen, die Anrufe zu meinem Vater umzuleiten – nicht dass er einen Kaiserschnitt bei einer Katze hinbekommen hätte, erst recht nicht bei einer von Cheryls kostbaren Persern.« Er lächelt schuldbewusst. »Der Arzt hat ihm Schlaftabletten verschrieben – ich weiß nicht, ob wegen der Schmerzen oder gegen den Stress, unter dem er steht, seit Emma ihre Praxis eröffnet hat.«
»Das ist über drei Jahre her«, gebe ich zu bedenken.
»Es dauert lange, ehe er verzeiht und vergisst.« Alex macht eine Pause. »Wie auch immer, es wird nicht wieder vorkommen. Meine Mutter hatte mich zu einem ihrer Ponys gerufen, auf dem ich als Kind immer geritten bin. Es war schon ziemlich alt.«
»War?«
»Ja.« Alex reibt sich den Nacken. »Es ist gestorben. Armer alter Topper.«
»Das tut mir leid.« Jetzt fühle ich mich wirklich schlecht.
»Manche werden geboren, andere sterben, so ist das eben«, sagt Alex sanft. In seiner Tasche klingelt ein Handy. Er zieht es heraus, sieht auf die Nummer und entschuldigt sich. »Dann sehe ich Sie am Samstag in zwei Wochen wieder, Maz?«
»Samstag in zwei Wochen?«
»Bei der
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