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Stadt, Land, Kuss

Stadt, Land, Kuss

Titel: Stadt, Land, Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Woodman
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mir einen Studienplatz angeboten, doch ich habe ihn abgelehnt. «
    Schuldbewusst sammele ich die Instrumente zusammen, die ich für die Operation brauche. Ich behaupte gerne, dass ich nur dank meiner Leistungen in Cambridge aufgenommen wurde, aber in Wirklichkeit war es Jack Wilson, der mir die Tür geöffnet hat. In gewisser Weise habe ich von ebenjenen Verbindungen profitiert, denen Alex ausgewichen ist.
    »Wie kann ich helfen?«, fragt Alex.
    »Das brauchen Sie nicht. Ich rufe Izzy an.«
    »Nein, lassen Sie sie schlafen.« Ein Lächeln umspielt seine Lippen. »Ich werde Ihnen assistieren.«
    »Na gut, dann können Sie ihm den Tropf anlegen.« Ich gebe ihm eine Plastikschürze und frage mich, warum er hier mit mir flirtet, wenn er mit der Pharmareferentin zusammen ist. »Ich hole inzwischen das Betäubungsmittel. «
    Bald darauf liegt der Kater bewusstlos, rasiert und zur Operation bereit im Scheinwerferlicht wie ein Schauspieler auf der Bühne. Ich habe OP-Kleidung, Maske und Handschuhe angezogen, und Alex sitzt mir gegenüber auf einem Hocker und kontrolliert immer wieder den Zustand des Tiers. Mir fällt auf, wie behutsam er dabei ist. Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, er würde eine Katze genauso behandeln wie eine Kuh oder ein Pferd. Erst jetzt bemerke ich, wie ruhig und gedrückt er wirkt, verglichen mit dem letzten Mal, als wir uns begegnet sind. Er ist blass, dunkle Ringe liegen unter seinen Augen, und sein Haar ist völlig verwuschelt.
    »Bereit?«, frage ich und wende meine Aufmerksamkeit wieder unserem Patienten zu.
    Alex nickt.
    Ich schiebe eine Klinge auf den Skalpellgriff, nehme einen Tupfer und mustere das zerfetzte Bein vor mir, während ich überlege, wie ich die Operation am besten angehe.
    »Ich hatte gehofft, das würde mir eine Ausrede dafür liefern, Emmas Metallbaukasten nach unten zu holen, aber an dem Bein ist eindeutig nichts mehr zu machen.«
    »Ich hatte als Kind nie einen Metallbaukasten.«
    »Womit haben Sie denn gespielt?« Ich blicke von dem Kater auf und wünsche, ich hätte mich anders ausgedrückt, denn in Alex’ Gesicht sehe ich ein beunruhigendes, schalkhaftes Grinsen. Ich lächle zurück. Ich kann nicht anders.
    »Ich hatte ein Schaukelpferd. Meine Mutter erzählt mir immer wieder, wie sie mich mit der Hand in seinem Hinterteil erwischt hat, als ich ungefähr vier Jahre alt war – zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich vorher meinen Vater bei seinen Hausbesuchen begleitet hatte.«
    »Wollten Sie deshalb Tierarzt werden?«
    »Es war immer klar, dass ich in die Fußstapfen meines Vaters und Großvaters treten und die Praxis übernehmen sollte.«
    »Das klingt so, als würden Sie es bedauern?«
    Alex schüttelt den Kopf. »Manchmal vielleicht, aber alles in allem gefällt mir dieses Leben. Ich liebe meinen Beruf.«
    »Ich bin zu schnell gefahren«, spricht er weiter, während ich den ersten Schnitt ansetze. »Heute Abend. Ich kam gerade von meiner Exfrau.«
    »Oh«, sage ich und frage mich, warum er ausgerechnet mir sein Herz ausschüttet.
    »Sie will wieder heiraten«, fährt er bedrückt fort.
    Ich wende den Blick nicht vom Kater und durchtrenne einen Muskelstrang und eine Arterie, aus der pulsierend das Blut zu spritzen beginnt. Ich klemme sie ab und unterdrücke gleichzeitig meine Gefühle, denn Alex verwirrt mich. Wie soll ich auch ruhig und professionell bleiben, wenn er in einem Moment sanft und scherzhaft ist und im nächsten plötzlich todernst?
    »Von mir aus kann sie heiraten, wen sie will«, fügt Alex hinzu, »solange die Kinder nicht darunter leiden, aber sie und dieser …«, er flucht, »wollen sie nach Australien mitnehmen. Sie weiß genau, wie sie mich fertigmacht. Wann soll ich die beiden denn wiedersehen, wenn sie am anderen Ende der Welt leben? Was ist mit meinen Wochenenden? Was ist mit meinem Recht als Vater?« Der Tisch erzittert, als Alex mit der Faust daraufschlägt.
    »Hey, Vorsicht.«
    »Tut mir leid. Es ist nur … dieses egoistische Miststück weiß ganz genau, wie sie mich in Rage bringt.«
    »Wie alt sind Ihre Kinder?«, frage ich und erwische mich bei dem etwas gehässigen Gedanken, dass Alex Fox-Gifford tatsächlich menschliche Züge hat.
    »Lucie ist fünf und Sebastian drei. Das heißt, ich werde ihre gesamte Kindheit verpassen.« Alex steht auf. »Sie werden mich vergessen. Sie werden vergessen, dass sie jemals einen richtigen Vater hatten.«
    »Das ist furchtbar.« Ich schneide weiter und entferne die Knochenfragmente aus dem

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