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Stadt, Land, Kuss

Stadt, Land, Kuss

Titel: Stadt, Land, Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Woodman
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verletzten Bein, dann schaue ich auf, und unsere Blicke begegnen sich. Ich weiß genau, was es heißt, ohne Vater aufzuwachsen.
    »Mein Vater hat mich und meinen Bruder verlassen, als ich zwölf war.« Es fällt mir noch immer schwer, darüber zu reden. »Ich habe ihn nie vergessen.«
    »Ja, aber wie oft haben Sie ihn danach gesehen? Jede Woche? Einmal im Monat?«
    »Nie wieder.« Als ich aufschaue, sehe ich, wie Alex mich ungläubig anstarrt.
    Eines Samstags fuhren meine Mutter und ich mit dem Bus zur Arche. Wir stiegen eine Haltestelle zu früh aus und gingen den Rest des Weges zu Fuß, damit es so aussah, als hätte sie den Wagen in einer Seitenstraße geparkt. Wir hatten kein Auto, aber wenn wir eines hätten, sagte meine Mutter immer, dann wäre es ein Porsche mit Klappscheinwerfern. Allerdings nur unter der Woche, für die Wochenenden am Meer hätten wir zusätzlich ein Wohnmobil.
    Ich folgte ihr, als sie in lila Batik-Rock, pailletten-besetztem Top und roten Lackstiefeln in Jack Wilsons Sprechzimmer rauschte, das Haar raspelkurz geschnitten und frisch gebleicht. Jack blickte vom Tisch auf, wo King zusammengerollt in einem Korb lag.
    »Es tut mir leid, dass ich Sie den weiten Weg hierher bemüht habe, Mrs Harwood …«
    »Ms bitte, nicht Mrs«, fiel ihm meine Mutter ins Wort, und mein Herz krampfte sich zusammen, während ich im Stillen betete, dass sie King und mir damit nicht alles verdorben hatte.
    »Sie sehen Amanda so ähnlich«, fuhr Jack mit sanfter Stimme fort, charmant wie bei den meisten seiner weiblichen Kunden (das war wahrscheinlich einer der Gründe dafür, dass er eine so treue Kundschaft hatte, abgesehen davon natürlich, dass er ein guter Tierarzt war). »Ich kann kaum glauben, dass Sie beide nicht Schwestern sind.«
    »Mit Schmeicheleien erreichen Sie bei mir alles, Mr Wilson.« Meine Mutter lächelte, legte den Kopf auf die Seite und sah ihn mit großen Kulleraugen an. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, denn im Gegensatz zu ihr wusste ich, dass er sie nur milde stimmen wollte.
    »Nennen Sie mich doch Jack.«
    »Nur wenn Sie mich Trish nennen.«
    »Also gut, Trish, als Erstes möchte ich Ihnen zu Ihrer Tochter gratulieren. Sie ist ein begeisterungsfähiges, intelligentes und mitfühlendes Mädchen.« Mein Gesicht brannte, als ich sah, wie sich meine Mutter in meinem Glanz sonnte, und Jack fuhr fort: »Ich bin mir sicher, dass sie sich ganz wunderbar um King kümmern könnte, aber …«
    Aber? Das Herz wurde mir schwer. Ich wandte mich ab und flüsterte Kings Namen. Er hob den Kopf und streckte eine Pfote nach mir aus. Der Fellkragen an seinem Hals begann zu vibrieren – sein Schnurren wirkte viel zu laut für so ein winziges Kätzchen. Er war erst ungefähr sechs Wochen alt, und ich fragte mich, ob er jemals groß genug dafür werden würde.
    »Erst muss ich sicher sein, dass Sie ebenfalls bereit sind, ihn aufzunehmen. Ich möchte nicht, dass er irgendwann wieder auf der Straße endet.«
    »Warum kommen Sie nicht einfach vorbei und sehen sich bei uns um?« Meine Mutter stand sehr gerade, eine Hand an die Hüfte gelegt, den Bauch eingezogen und die Brust nach vorn geschoben.
    »Oh, ich glaube nicht, dass das nötig ist.« Hastig wich Jack hinter den Tisch zurück, und ich fragte mich kurz, ob er gleich den Panikknopf drücken würde, den er hatte einbauen lassen, nachdem er einmal abends von einem Junkie mit einem Messer bedroht worden war. »Äh … haben Sie denn eine Vorstellung davon, was auf Sie zukommt?« Er bedachte sie mit einem weiteren gewinnenden Lächeln. »Sich um ein Haustier zu kümmern kann sehr bereichernd sein, aber Sie gehen dadurch auch eine langfristige Verpflichtung ein.«
    »Das weiß ich doch alles«, antwortete meine Mutter. »Ich hatte schon mehrere Haustiere.«
    Ich dachte an die beiden Haustiere, an die ich mich erinnern konnte: einen Goldfisch und einen Wellensittich. Beide waren gestorben. Ich wünschte, sie würde endlich den Mund halten.
    »Heißt das, ich darf King mit nach Hause nehmen?«, mischte ich mich ein. »Bitte, Mum.«
    Sie schürzte die Lippen, als hätte sie ihre Meinung geändert. Sie konnte grausam sein. Launenhaft.
    »Das Einzige, was mir ein wenig Sorgen macht«, sagte sie nach kurzem Nachdenken, »sind die Kosten …«
    »Ich habe genug Geld für sein Futter«, gab ich verzweifelt zurück.
    »Und was ist mit den Tierarztrechnungen?«, entgegnete meine Mutter.
    »Amanda kann hier arbeiten«, sagte Jack. »Ich könnte ein Mädchen

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