Stadt, Land, Kuss
einer meiner Forscherkollegen hat ein paar ziemlich umfangreiche Änderungen verlangt, obwohl er selbst nicht die geringste Ahnung von dem Thema hat. Meinen letzten Aufsatz hast du sicher gelesen – er war vergangene Woche im Vet Record .«
Er sieht etwas gekränkt aus, als ich den Kopf schüttele.
»Ich muss meinen Chauffeur suchen.« Ich gehe an Mike vorbei den Flur entlang in Richtung Bar. Mike folgt mir. »Ach, da ist er ja. Er steht bei Eloise.«
»Seid ihr beiden …«
»Auf keinen Fall«, bricht es aus mir heraus, doch dann wünschte ich, ich hätte gesagt: »Ja, wir haben eine Affäre und pausenlos leidenschaftlichen Sex.«
»Wir sehen uns«, verabschiedet sich Mike und zupft an seinem Kragen, wo dieser die Haut leicht wundgescheuert hat.
Ich antworte nicht, und er wendet sich ab und geht auf die Bar zu.
»Woher kennen Sie denn diesen Mike, den Redner?«, fragt Alex auf dem Heimweg. »Der Typ hat was von einem Roboter, finden Sie nicht?«
Ich schaue hinaus auf die Straße, auf die dunklen Schatten der Bäume, die Hecken, die immer näher zu rücken scheinen, und auf den mit Sternen übersäten Himmel.
»Ich habe in seiner Praxis gearbeitet. In London.« Aus dem Augenwinkel sehe ich zu Alex hinüber. Warum kann ich es nicht zugeben? Dass Mike und ich ein Paar waren? »Er war mein Chef.«
»Er war wahrscheinlich nicht glücklich darüber, Sie zu verlieren?«
»Ach, er hatte einen passenden Ersatz für mich im Auge, lange bevor ich gegangen bin«, entgegne ich und frage mich, ob Alex mir gerade ein Kompliment gemacht hat.
»Sie finden es sicher ziemlich ruhig hier bei uns.«
»Ganz im Gegenteil«, sage ich. »Es ist sogar erstaunlich stressig.«
Wir plaudern weiter, bis Alex vor dem Otter House hält, dessen beschädigte Fassade hinter einem Gerüst verborgen ist.
»Danke fürs Mitnehmen. Möchten Sie noch auf einen Kaffee mit reinkommen?«, frage ich, erstaunt darüber, wie sehr ich Alex’ Gesellschaft genieße.
»Heute Abend nicht, Maz.«
»Schmeckt Ihnen mein Kaffee etwa nicht?«, entgegne ich leichthin.
»Nein, das ist es nicht … Halten Sie mich ruhig für einen Schwächling, aber ich bin drei Nächte hintereinander zu einem Notfall gerufen worden, und gestern Nacht dann die Sache mit Tripod. Ich bin fix und fertig.« Ich sehe, wie Alex seine Hand ein Stück nach mir ausstreckt, ehe er sie auf den Schalthebel zwischen uns sinken lässt. »Nächstes Mal?«
»Nächstes Mal«, antworte ich leise und frage mich, ob es eine so gute Idee war, ihn auf einen Kaffee einzuladen.
»Das verstehen Sie doch?«
»Ja, natürlich«, sage ich bedauernd. Es ist wegen Eloise. Sie hätte sicher etwas dagegen, und wer könnte es ihr verdenken? Ich hätte ihn nicht fragen sollen. »Gute Nacht.« Ich öffne die Tür und steige aus.
»Bis bald«, ruft Alex mir nach.
Auf dem Weg zurück ins Haus zögere ich am Empfang. Im Flur nach hinten brennt Licht, und Schritte nähern sich. Es ist Nigel, und als ich seinen Gesichtsausdruck sehe, bezweifle ich, dass er sich darüber freut, mich zu sehen.
»Gut, dass ich Sie treffe«, sage ich. »Der Scheck, den Sie mir ausgestellt haben, ist geplatzt.«
»Ach ja«, gibt er zurück. »Ich wollte ohnehin mit Ihnen darüber reden.«
Doch seine Erleichterung ist unübersehbar, als plötzlich mein Handy klingelt und eine Frau anruft, um Bescheid zu sagen, dass ihr Fisch ertrinkt und sie schon auf dem Weg zu uns ist. Ein paar Minuten später stehe ich mit Mrs Finnegan im Sprechzimmer. Nigel schaut mir über die Schulter, und gemeinsam starren wir einen Goldfisch an, der japsend auf dem Boden einer gläsernen Auflaufform liegt.
»Da ist ein Stückchen Kies in seinem Mund«, bemerkt Nigel.
»Ja, das sehe ich …«
»Wie wollen Sie das da rausholen?«, fragt Mrs Finnegan.
»Lassen Sie mich kurz nachdenken.« Gute Frage. Wie? Mein Herz rast, und meine Haut wird feucht. Lächerlich, es ist doch nur ein Fisch …
»Die Kinder geben ihnen Namen«, sagt Mrs Finnegan. »Ich glaube, das ist Mickey – er hat einen weißen Fleck auf dem Schwanz.«
Na großartig, jetzt hat der Goldfisch auch noch einen Namen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die kleinen Finnegans, die zu Hause ängstlich auf seine Rückkehr warten. Aber was reingeht, muss ja auch irgendwie wieder rauskommen. Ich nehme Mickey mit nach hinten und stelle ihn auf die Abtropffläche neben dem Spülbecken, während ich eine Nierenschale und eine Pinzette suche. Danach gieße ich ihn vorsichtig in die kleinere
Weitere Kostenlose Bücher