Stadt, Land, Kuss
Schale, packe ihn hinter den Kiemen, umschließe das Steinchen mit der Pinzette und ziehe es heraus. Die Aufregung ist zu viel für ihn – als ich ihn zurück in die Auflaufform gieße, sinkt er auf den Boden. Es sieht nicht gut aus.
»Ich fürchte, bis Mitternacht ist Mickey Sushi«, sage ich, als Nigel zu mir nach hinten kommt, um zu sehen, ob ich Hilfe brauche. »Der Scheck …«
»Ach ja …«, erwidert Nigel, und sein Schnurrbart scheint kaum merklich zu zittern.
»Hören Sie, Nigel, ich bewundere Ihre Loyalität zu Emma und der Praxis, aber Sie können mir ruhig sagen, was los ist. Wir stehen auf derselben Seite.« Ich beobachte noch immer den Fisch, der nicht auf meine konservative Behandlung anzusprechen scheint – schon gut, ich gebe zu, das ist eine wohlwollende Umschreibung für Nichtstun. »Na los, sagen Sie mir die Wahrheit.«
Nigel seufzt dramatisch und gibt schließlich nach.
»Ich dachte mir schon, dass Emma finanzielle Probleme hat«, erklärt er, »allerdings hatte ich keine Ahnung, wie schlimm die Lage ist, bis ich die Buchhaltung übernommen habe.«
Das klingt ganz und gar nicht nach der Emma, die ich kenne. Sie war in finanziellen Dingen immer so vorsichtig. Ich war die Verschwenderin von uns beiden.
»Meiner Meinung nach verschließt sie die Augen vor der Realität«, fährt Nigel fort. »Sie hat sich von Anfang an übernommen – der Umbau des Hauses hat viel mehr gekostet, als sie dafür veranschlagt hatte, und sie hat ihre gesamte Ausstattung neu gekauft. Ich glaube nicht, dass sie dabei irgendwelche Kompromisse eingegangen ist, und das kann ich auch verstehen. Sie will immer nur das Beste für ihre Patienten. Sie ist eine großartige Tierärztin, aber keine besonders gute Geschäftsfrau. Talyton Manor war natürlich auch nicht gerade hilfreich – die Konkurrenz war härter, als Emma erwartet hatte. Im Grunde muss man die Fox-Giffords für ihre Zähigkeit bewundern. «
Ich senke den Blick und bemerke, dass auch Mickey erstaunlich zäh ist – er schwimmt wieder herum und stupst mit dem Maul gegen die Seiten der Auflaufform.
»Ich bringe ihn jetzt zurück zu Mrs Finnegan«, sage ich. »Wie viel berechnet Emma denn üblicherweise für die Behandlung eines Fischs außerhalb der normalen Sprechzeiten?« Das war ein Scherz. Ich glaube kaum, dass sie jemals einen Fisch außerhalb der Sprechzeiten behandelt hat, es ist nicht gerade ein alltäglicher Notfall.
Doch Nigel antwortet vollkommen ernst: »Das wäre eine Kleintierbehandlung zuzüglich des Nach-Mitternacht-Notfallzuschlags und eine halbe Stunde Zeitaufwand. «
»Auf gar keinen Fall«, erwidere ich. »Dafür könnte Mrs Finnegan ja zwanzig neue Goldfische kaufen.«
»Aber das hat sie nicht«, entgegnet Nigel, »weil sie genau diesen einen Goldfisch behalten will.«
Ich bringe es einfach nicht über mich. Zurück im Empfangsbereich schlage ich Mrs Finnegan vor, einen kleinen Betrag für eine Tierschutzorganisation zu spenden, und sie steckt entzückt einen Fünf-Pfund-Schein in die Spendendose auf dem Empfangstresen, ehe sie mit Mickey nach draußen zu ihrem Wagen geht. Ich weiß, dass Nigel gelauscht hat, denn ich habe sein scharfes Einatmen und das missbilligende Schnalzen gehört.
»Lassen Sie mich Ihnen etwas zeigen, Maz.« Nigel greift über den Tresen und drückt eine Taste am Drucker, woraufhin dieser ein paar mit Zahlen bedeckte Seiten ausspuckt. Sind das Nummern? Ich merke, wie allmählich alles vor meinen Augen verschwimmt. Nigel zieht einen gelben Leuchtstift aus der Tasche und streicht damit ein paar Zahlen an. »Ich hatte mit einem vorübergehenden Umsatzrückgang gerechnet, als Sie hier angefangen haben – die Leute mögen nun einmal keine Veränderungen –, aber das geht einfach zu weit. Kostenfreier Zahlungsaufschub, kostenlose Behandlungen … Ihre Großzügigkeit ist fast genauso uferlos wie Ihre Ausgaben. Nur ein Beispiel: War es wirklich nötig, gleich ein neues Schergerät zu kaufen? Hätten Sie nicht einfach die Klingen zum Schleifen wegschicken können?« Ich versuche gar nicht erst, mich zu verteidigen, denn er spricht schon weiter. »Und dann die Sache mit Cheryl. Izzy hat mir davon erzählt«, fügt er leise hinzu.
Ich mache Izzy keinen Vorwurf. Das ist in kleinen Praxen eben so, jeder weiß über alles Bescheid.
»Es dauert Jahre, einen guten Ruf aufzubauen, und nur Minuten, ihn zu ruinieren«, sagt Nigel. »Wenn die Einnahmen in diesem Monat nicht steigen, kann ich nicht mehr alle Gehälter
Weitere Kostenlose Bücher