Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things
nicht rein. Niemand kommt rein. Wenn jemand es versucht hätte, würde ich es bemerken. Niemand war im Haus. Es ist alles abgeschlossen, wirklich.«
»Haben Sie die Schlüssel?«
»Ich hab die Schlüssel«, räumte er mürrisch ein, nachdem er Jess sekundenlang auf der Unterlippe kauend gemustert hatte. Wahrscheinlich hatte er sich gefragt, ob er sie mit einer Lüge abwimmeln konnte, und war ganz richtig zu dem Schluss gekommen, dass dem nicht so war. Die Polizei würde die Türen aufbrechen. »Ich hab sie zu Hause, in meinem Cottage.«
»Dann wird Sergeant Morton jetzt mit Ihnen gehen und die Schlüssel holen.«
Smith rührte sich nicht.
»Ist alles in Ordnung, Mr. Smith?«, erkundigte Jess sich stirnrunzelnd. Der alte Bursche sah mehr als nur nervös aus. Er sah krank aus. Dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Jess war nicht sicher, ob er sich vor dem fürchtete, was sie im Haus finden könnten, oder ob irgendein anderer Grund hinter seinem Unbehagen steckte. Hoffentlich steigerte er sich nicht in einen Herzanfall hinein. »Sir?«, fragte sie behutsam. »Was ist denn, Mr. Smith?«
Smith beugte sich vor, als wollte er ihr ein Geheimnis anvertrauen.
»Was werden sie nur dazu sagen?«, flüsterte er mit heiserer Stimme. »Es wird ihnen sicher nicht gefallen.«
»Wem wird es nicht gefallen?«, fragte Jess. »Von wem reden Sie?«
Eli blinzelte und riss sich zusammen. Er kehrte zu seiner vorherigen Entschlossenheit zurück. »Den Nachbarn«, antwortete er. »Sie sind ganz furchtbar, wenn es um Gerede geht, diese Nachbarn.«
Mit diesen Worten wandte er sich ab, stapfte zu seinem Laster davon und kletterte in das Fahrerhaus.
»Folgen Sie ihm zu seinem Cottage, und lassen Sie sich die Schlüssel geben, Phil«, sagte Jess zu Morton. »Stellen Sie ihm keine weiteren Fragen mehr. Für den Moment jedenfalls. Er ist ziemlich aufgebracht, und er ist nicht mehr der Jüngste. Lassen Sie sich nicht vormachen, dass er die Schlüssel nicht finden kann oder so was. Er scheint sich wegen seiner Nachbarn Sorgen zu machen.«
»Nachbarn?« Morton starrte sie ungläubig an und deutete auf die tropfenden Bäume und die kahlen Felder ringsum. »Wovon redet der alte Narr da? Er hat keine verdammten Nachbarn!«
Kapitel 4
Lucas war zu Hause. Normalerweise erfüllte ihn das Betreten seines vornehmen spätgeorgianischen Bürgerhauses in Cheltenham mit dem Stolz, den ein Jäger angesichts einer Trophäe empfindet. Es stand in einer Reihe mit anderen weiß oder pastellfarben gestrichenen Wohnhäusern. Die hohen Schiebefenster, die früher einmal, als Cheltenham noch ein schicker Kurort gewesen war, den Ausblick auf klappernde Fuhrwerke gewährt hatten, klapperten heute angesichts des lärmenden Verkehrs. Trotz allem hatte das Haus seine vornehme, herrschaftliche Aura behalten.
Lucas gefiel das. Er hatte mit Nichts angefangen, ohne Beziehungen und sonstige Vorteile, und sich nach oben gearbeitet, wie er neuen Bekanntschaften gerne erzählte. Alles, was er besaß, hatte er sich selbst erarbeitet. Neben seinem Haus eine kleine Wohnung im Londoner Stadtteil Docklands, die er jedoch nur als pied-à-terre benutzte, als Zweitwohnung und Basis, wenn seine Geschäfte ihn in die Hauptstadt riefen. Die Wohnung war »neues Geld« und deswegen, trotz aller Macht und allem Glitzer, behaftet mit dem Makel des Protzigen.
Nicht so dieses Haus. Zugegeben, es war ein wenig heruntergekommen gewesen, als er es fünf Jahre zuvor gekauft hatte, doch es hatte trotzdem eine Aura von einer Herzoginwitwe »in verminderten Vermögensverhältnissen« besessen. Wegen dieses heruntergekommenen Zustands und der antiquierten Ausstattung hatte er es zu einem sehr ordentlichen Preis erstehen können. Seither hatte er ein kleines Vermögen für die Renovierung und Möblierung ausgegeben. In den Kosten eingeschlossen war ein teurer Innenarchitekt. Zuerst war Lucas alles andere als glücklich über dessen Wahl blasser blauer und gelber Farbtöne als Dekor gewesen. Es war ihm zu feminin erschienen. Doch inzwischen sah er, dass der Architekt Recht gehabt hatte. Das Farbschema betonte die luftige Höhe der Decken, die stuckverzierten Simse und Deckenrosetten und Lucas’ eigene Sammlung an antikem Mobiliar aus der damaligen Zeit.
Nicht, dass viele Menschen das Innere von Lucas’ Haus zu Gesicht bekommen hätten. Er wohnte allein. Er war einmal verheiratet gewesen, als sehr junger Mann. Die Ehe hatte nicht lange gehalten, und er war zu dem Schluss gekommen, dass
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