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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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auf die Verwaltung und die Schulbehörde verschafft.
    Dugan ist, was kaum verwundert, ein arroganter, manipulativer Dreckskerl. Und in meinem Roman ist er außerdem ein chronischer Onanist, eine Angewohnheit, die ich etwas einfallslos zu den täglichen Videoabenden in Beziehung gesetzt habe, in denen er sich wie besessen vergangene Spiele ansieht. Der Coach in seinen Boxershorts, der zusieht, wie Jungen im Teenageralter rennen und schwitzen, und dabei an sich herumfummelt, um zu seinem heftigen, schnaubenden Orgasmus zu kommen. Es ist reine Fiktion, kleingeistig und gemein, aber ich hatte nie auch nur die geringsten Gewissensbisse deswegen, zum Teil weil ich Dugan für das verantwortlich mache, was mit Sammy passiert ist, und zum Teil, nehme ich an, weil ich kleingeistig und gemein bin.
    Ich sehe Brad an. »Du arbeitest also für Dugan.«
    »So ist es«, sagt er spitz.
    »Ich nehme an, er war nicht allzu erfreut über mein Buch.«
    »Meinst du?«
    »Seine Frau auch nicht, würde ich vermuten.«
    »Sieht so aus.«
    »Tut mir Leid«, sage ich zu Brad, obwohl ich mir nicht sicher bin, dass das stimmt. »Ich nehme an, es kann nicht allzu angenehm gewesen sein, für ihn zu arbeiten, als das Buch erschienen ist.«
    »Er hat es nicht an mir ausgelassen«, sagt Brad gelassen. Und dann sieht er mich direkt an und fügt hinzu: »Die meisten Leute haben das nicht getan.«
    »Das freut mich zu hören«, sage ich und stehe auf. »Bist du fertig?«
    »Ja. Aber du hast deinen Burger ja kaum angerührt.« »Er schmeckt nach Milchshake«, sage ich.

9
    Die Erinnerung hält sich nie an die Chronologie. Obwohl ich weiß, dass mein Neffe Jared inzwischen achtzehn ist, ist er in meinem Kopf immer noch der verängstigte Vierzehnjährige, den ich das letzte Mal vor ein paar Jahren an jenem Abend in meiner Wohnung sah.
    Das heißt, als ich jetzt auf ihn treffe, wie er sich bis auf die Unterhose ausgezogen mit einem Mädchen in einem ebenso entkleideten Zustand auf der Wohnzimmercouch meines Vaters wälzt, bin ich doppelt überrascht. Das Mädchen stößt, als es mich ins Zimmer kommen hört, einen durch dringenden Schrei aus und geht mit einem ungraziösen Sprung hinter die Couch in Deckung, um sich zu verstecken, während Jared reflexartig den verworrenen Kleiderhaufen vom Boden hochreißt und auf seinen Schoß zieht.
    »Scheiße, tut mir Leid«, sage ich, drehe mich auf dem Absatz um und verlasse rasch das Zimmer. Ich scheine auf eine seltsame Weise prädestiniert dafür, meine Verwandten ständig mitten im Koitus zu unterbrechen. Hier bildet sich allmählich ein Muster heraus, das eine künftige Untersuchung wert sein könnte: die Beobachtung des Liebesaktes anstatt des Liebesaktes selbst. Immer nur die Brautjungfer und so weiter.
    »Schon okay«, sagt Jared, und ich begreife, dass er zu dem Mädchen hinter der Couch spricht. »Es ist nicht mein Dad.« Eine Minute später gesellt er sich zu mir in die Diele, wobei er sich im Gehen die Jeans hochzieht. »Hey, Onkel Joe«, sagt er. »Wie geht's?« Jetzt nennen mich geile, nackte Teenager Onkel.
    »Nicht so gut wie dir, würde ich vermuten«, sage ich. Er schnaubt verächtlich und knöpft sich lässig mit einer Hand den Hosenschlitz zu, dann richtet er sich auf und sieht mich an. Er ist ein ganzes Stück gewachsen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe, und ist jetzt über einen Meter achtzig groß, schlank und breitschultrig, wie sein Vater. Er steckt sich sein langes dunkles Haar hinter die Ohren, deren Läppchen von einer breiten Auswahl an Gold- und Silberringen und Ohrsteckern verunstaltet sind. Als ich diese Ohrringe sehe und dann auch noch das kleine Haarbüschel dicht unter seiner Unterlippe, begreife ich augenblicklich die stille Frustration, die Brad vorhin zum Ausdruck gebracht hat.
    »Tut mir Leid«, sage ich. »Ich hatte hier niemanden erwartet.«
    Jared fährt sich mit den Fingern durchs Haar und zuckt die Schultern. »Wir wollten nur ...« »Ja.«
    »Ich dachte, es ist mein Dad«, sagt er. »Der hätte mir die Hölle heiß gemacht, Mann.«
    »Aus meiner Sicht sah es schon heiß genug aus«, sage
    ich.
    Er lächelt mich an. Er hat irgendetwas Lässiges an sich, eine entspannte Coolheit. Er spricht in kurzen, ruckartigen, leisen Sätzen und verströmt eine charismatische Intelligenz. Er lässt von außen keine Anzeichen von Wut erkennen, wie es so oft bei Teenagern der Fall ist, die eine ellenlange Liste mit Dingen haben, die sie der Welt beweisen müssen. Bei ihm ist es

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