Stadtfeind Nr.1
meinen Matchbeutel und steige die Treppe hoch zu meinem alten Zimmer, um diesen Teil hinter mich zu bringen. Nach Hause kommen, denke ich. Es ist nie so, wie man es sich vorgestellt hat.
1986
10
Nachts schwamm Lucy Haber nackt. Nicht wirklich, auch wenn sie es nach allem, was ich weiß, vielleicht tatsächlich tat, sondern in meinen Gedanken, wo sie allabendlich gewohnheitsmäßig alles abstreifte, was sie einengte, nackt in den Pool sprang und im nebligen Schimmer der Unterwasserbeleuchtung des Pools lässig ein paar Züge schwamm und sich dann auf dem Rücken treiben ließ. Die Fantasie war geboren, und wohin ich auch ging und was ich auch tat, sie spielte ständig in meinem Kopf. Sie steht da, am Sprungbrett, schimmernd in ihrer Nacktheit, und kurz bevor sie springt, sieht sie mich ihr gegenüber am anderen Ende des Pools stehen. Anstatt sich zu wundern, schenkt sie mir ein warmes, wissendes Lächeln voller verführerischer Versprechungen und taucht dann ins Wasser ein. Ich trete vom seichten Ende her ins Wasser und warte auf sie, als sie auftaucht. Wir stehen da, das Wasser reicht uns bis zur Taille, und sie sagt: »Ich habe mich schon gefragt, wann du kommen würdest.«
»Ich weiß«, sage ich, dann schließt sie mich in die Arme, und ich spüre diese herrlichen Brüste, heiß und feucht an meine Brust gepresst, und ihre warmen Lippen öffnen sich über meinen, und sie erforscht mich mit ihrer Zunge. Unter der Wasserlinie berühren sich unsere Lenden, erst sanft und dann mit etwas mehr Kraft, und sie zieht mich tiefer ins Wasser, um mich zu lieben, während im Hintergrund ein Radio Peter Gabriels » In Your Eyes « spielt. Total abgedroschen, aber zu der Zeit erschien es mir so magisch wie die verlockende Vorstellung von Poolsex.
Poolsex, mein Gott. Eine dürftige, komplizierte Paarung, eher anstrengend als vergnüglich, wo jeder Schritt und jeder Stoß ausgeglichen werden muss, um einen fragwürdigen Anschein von Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, während die Sensibilität in den entscheidenden Zonen durch all diese zusätzlichen Anstrengungen in Wirklichkeit verringert statt erhöht wird. Das ist zwar nicht die allgemeine Ansicht, die im nächtlichen Kabelfernsehen verbreitet wird, aber genau diese Tatsache ist der Beweis dafür, dass Poolsex in erster Linie ein visuelles Phänomen ist. Es sieht weitaus besser aus, als es sich anfühlt. Aber für eine siebzehnjährige Jungfrau fühlte sich Poolsex einfach ebenso gut an wie all die anderen Arten von Sex, die ich nicht bekam, nur ein weiterer Eintrag in meinem immer länger werdenden Tagebuch des Unerreichbaren.
Abgesehen von meiner ungeheuren sexuellen Frustration, die tagtäglich die Grenze zu einer Obsession zu überschreiten drohte, hatte ich einen ziemlich guten Sommer. Zwei Freunde zu haben heißt, mehr zu haben als die Summe der Teile. Sammys Aufnahme in den Freundeskreis hieß, dass ich jetzt eine Gruppe hatte. Eine Bande. »Die Jungs.« Ich genoss unsere unbeschwerte Kameradschaft, die Runninggags und die Vertrautheiten, die sich im Verlauf des Sommers zwischen uns dreien entwickelten. Ich und die Jungs. Ich entwickelte einen federnden Gang, ein schnelleres Grinsen, ein offeneres Auge. Ich war auf einmal auf eine unerklärliche Weise glücklich.
Und solange ich konnte, ignorierte ich die wichtigere, unausgesprochene Geschichte, die sich unheilvoll am Rande abzeichnete, die vereinzelten heimlichen Blicke und die nonverbalen Signale, die ich immer häufiger unbeabsichtigt auffing. Ich war hartnäckig entschlossen, nichts ins Wanken zu bringen. Wir hörten Springsteen und sahen MTV, tranken zu viel Bier und gingen schwimmen, jagten im Dunkel der Nacht Golfwagen über das Porter's-Gelände, quatschten im Megaplex die Leinwand an, aßen im Duchess Diner Burger und Pizza und staubten hin und wieder ein bisschen Gras bei Niko ab, der die Sunoco-Tankstelle im Stadtzentrum betrieb. Und irgendwo inmitten von alle-dem wurden Wayne und Sammy weitaus mehr als Freunde.
Wie lange kann man eine Liebesaffäre ignorieren, die sich genau vor den eigenen Augen abspielt? Es ist im Grunde alles eine Frage der Entschlossenheit. Auf einer gewissen Ebene muss ich die verstohlenen Blicke und das wissende Lächeln registriert haben, die verschwindenden Hände im Kinosaal, die rasche, ruckartige Umverteilung der Körpermassen, wenn ich auf einmal ins Zimmer trat, und die allmähliche allgemeine Verdichtung der Atmosphäre, die meine beiden besten Freunde umgab. Aber ich
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