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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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lediglich eine leicht mürrische Ungeduld, die für sein Alter typisch ist und die sich darin zeigt, wie seine Augen zerstreut um mich herum durchs Zimmer wandern, ohne je zur Ruhe zu kommen. »Ich hoffe, du bist nicht sauer«, sagt er.
    »Welcher heißblütige amerikanische Teenager kann einem leeren Haus schon widerstehen?«, sage ich. »Es ist praktisch deine patriotische Pflicht, mit einem Mädchen hier zu sein.« Ich hänge den Riemen meines Matchbeutels über den Pfosten des Treppengeländers, wie ich es millionenfach getan habe, in einem früheren Leben. Dieser Akt, völlig instinktiv, jagt mir ein Flattern durch den Magen, und für einen winzigen Augenblick kann ich wieder meine Kindheit riechen.
    »Was ist denn mit deinem Hemd passiert?«, sagt Jared.
    »Eine Frau hat ihr Getränk drübergeschüttet.«
    Mein Neffe grinst. »Tussis.«
    »Diese Tussi war jenseits der Sechzig.«
    »Warum hat sie es getan?«
    »Sie hatte ihre Gründe.«
    »Hey«, sagt er, während er sich geistesabwesend seine eindrucksvollen Bauchmuskeln reibt. »Mir hat dein Buch richtig gut gefallen.«
    Ich ziehe die Augenbrauen hoch.
    »Na, damit gehörst du in dieser Stadt aber zur Minderheit.«
    »Mit Lesefähigkeit im Allgemeinen gehört man in dieser Stadt schon zur Minderheit«, sagt er. Es ist, denke ich, ein unerwarteter Kommentar von jemandem, der vor ein paar Augenblicken noch sexuelle Aufwärmübungen mit dem Mädchen gemacht hat, das sich immer noch nackt und zitternd hinter der Couch im Wohnzimmer versteckt. In Jared steckt mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Wie aufs Stichwort taucht in diesem Augenblick das Mädchen auf, bunt und niedlich wie eine Gap-Reklame in ihrem grün-blau gestreiften Pulli mit Rundausschnitt und ihrer Jeans, mit unerheblichen Hüften und diesen perfekten Highschoolbrüsten, die nicht groß sind, aber durch ihre schiere Überschwänglichkeit Aufmerksamkeit fordern, wie zwei verspielte Hundebabys.
    »Das ist Sheri«, sagt Jared und schlüpft in das Hemd, das sie ihm reicht. »Mein Onkel Joe.«
    »Freut mich, dich kennen zu lernen«, sage ich.
    »Hi«, sagt sie und starrt auf den Boden. Sie wird sich auf absehbare Zeit wahrscheinlich nicht von meinem ungelegenen Auftritt erholen.
    »Also, nur um es zusammenzufassen«, sagt Jared. »Du wirst diesen kleinen Zwischenfall meinem Dad gegenüber nicht erwähnen.«
    »Dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.« Ich denke, Jared würde vielleicht über die Ironie schmunzeln, wenn ich ihm sagen würde, wie ich Brad und Cindy damals in der Garage überrascht habe, aber die meisten wohlerzogenen Jungen wollen nichts davon wissen, was ihre Mutter auch nur annähernd mit Oralsex in Verbindung bringt, und so halte ich den Mund. »Außerdem denke ich, dass er im Augenblick wichtigere Dinge im Kopf hat«, sage ich.
    »Ich nehm's an«, sagt Jared.
    »Wenn du hier bist, muss Gramps' Zustand ja wirklich übel sein, was?«
    »Sieht so aus.« Seine Augen weiten sich vor Angst, wie es für mich aussieht, und mir wird bewusst, dass ihn und meinen Vater eine ganz besondere Beziehung verbindet. Ich verspüre denselben Stich von Eifersucht wie schon im Krankenhaus, als ich sah, wie Brad Dads Laken glatt strich.
    »Verdammt«, sagt Jared leise.
    Dann folgt ein Augenblick des Schweigens zu Ehren der Dinge, die wir denken, aber nie aussprechen würden, über den Tod und wie nah mein Vater ihm ist. Wir werden von dem Klingeln meines Handys unterbrochen, das ich mir mit dem entschuldigenden Lächeln eines Süchtigen von meinem Gürtel reiße. »Hallo«, sage ich.
    »Du bist ein verlogener, egoistischer Dreckskerl«, kommt Natalies Stimme.
    Ich lege meine Hand über die Sprechmuschel und sehe Jared und Sheri an.
    »Das muss ich entgegennehmen. Augenblick.«
    »Jared«, sagt Sheri und beißt sich auf die Lippe. »Ich muss gehen.«
    »Ich komme mit«, sagt er. »Bis später, Onkel Joe.«
    »Ich werde hier sein«, sage ich und halte mir das Telefon wieder ans Ohr, um den Rest von Nat‘s Kommentaren mitzubekommen. »... mich benutzt hast, du Arschloch. Und als du fertig warst...«
    Ich sehe durch das große Fenster im Wohnzimmer zu, wie Jared und Sheri den Weg hinunterschlurfen. Er hat den Arm um sie gelegt, und ihre Hüften stoßen sanft aneinander. Bei diesem Anblick fühle ich mich auf einmal alt und verbraucht. Nat ist fertig und legt auf, und ich klappe das Telefon zu und stecke es zurück in die Plastikhalterung an meinem Gürtel. Mit einem schweren Seufzer schnappe ich mir

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