Stadtfeind Nr.1
Pistols ...«
»Die waren vor meiner Zeit«, erhebe ich matt Einspruch.
»Ist doch egal«, sagt er. »Jedenfalls, nimm dieses Zeug, dazu bessere Musiker und Produktionswerte und besseres Songwriting, und das ist im Wesentlichen SoCal-Punk.«
»Wie Blink 182«, sage ich.
»Wie Blink, bevor sie ausverkauft waren«, sagt Jared, wickelt seine abgeschnittenen Zehennägel in ein Papiertaschentuch und wirft es in den Papierkorb hinter mir, und für einen kurzen Augenblick hasse ich ihn.
»Fenix TX?«, versuche ich es.
Jared sieht überrascht zu mir hoch, und ich fühle mich schon ein bisschen besser. »Du hörst Fenix?«
»Tut das nicht jeder?«
Mein Handy klingelt erneut, als ich mir die Schuhe zubinde. »Kannst du rangehen?«, sage ich.
Jared klappt das Telefon auf, und selbst vom anderen Ende des Zimmers, wo ich am Boden hocke, kann ich Nat‘s Stimme hören, die durch das Plastik brüllt. »Hoppla«, sagt er grinsend und beugt sich vor, um mir das Telefon zu reichen. Ich höre noch ein paar Sekunden zu, und dann legt sie auf. »Mann«, sagt Jared. »Mag dich eigentlich überhaupt jemand?«
»Du magst mich doch, oder?«
Er grinst mich traurig an und sagt: »Ich zähle nicht, Mann.«
Meine Ankunft beherrscht die Titelseite von The Minuteman, über dem Knick, an prominenter Stelle. Jared hat die Zeitung aus dem blauen Plastikbriefkasten am Ende der Auffahrt geholt und wirft sie nun aufs Küchenbüfett, während ich mir in einem Becher etwas Nescafe verrühre. »Du bist wieder berühmt«, sagt er mit dem Grinsen, das offenbar sein Markenzeichen ist. »UMSTRITTENER AUTOR KEHRT ZURÜCK«, lautet die Schlagzeile oben links in der Ecke. Darunter ist eine körnige Reproduktion des Autorenfotos, das von dem Umschlag meines Buchs stammt. Mit wachsendem Unbehagen setze ich mich und lese den Artikel.
Nach siebzehn Jahren Abwesenheit ist der Schriftsteller Joseph Goffman gestern nach Bush Falls zurückgekehrt. Goffmans Bestsellerroman Bush Falls löste hier bei etlichen Bewohnern Empörung aus, als er 1999 erschien. Das Buch basierte locker auf einer Reihe von Vorfällen, die sich in Goffmans letztem Jahr an der Bush Falls High zugetragen haben sollen. Obwohl das Buch als Belletristik eingestuft ist, haben die Verwendung dieser Vorfälle durch den Autor sowie die Figuren, die eindeutig bekannten Einwohnern von Falls nachempfunden sind, eine heftige Kontroverse ausgelöst, als das Buch erschien. Viele der Einwohner von Bush Falls betrachteten das Buch als glatte Verleumdung, das mit bewusster Boshaftigkeit und dem Vorsatz geschrieben worden sei, den Ruf bestimmter Leute zu schädigen. Der Roman und sein Autor wurden in empörten Leitartikeln in dieser Zeitung sowie in lokalen Radio- und Fernsehsendern in breitem Maße verurteilt. Die kürzliche Verfilmung mit Leonardo DiC a prio und Kirsten Dunst, in den Hauptrollen hat nicht dazu beigetragen, die kollektive Wut auf Mr. Goffman zu besänftigen.
Coach Thomas Dugan war einer derjenigen, die für ein negatives Porträt im Roman herausgegriffen wurden. »Es ist mir egal, was er über mich geschrieben hat«, lautete Dugans damaliger Kommentar. »Aber die herablassende, beleidigende Art, auf die er über unser geliebtes Team und seine Geschichte geschrieben hat, das so vielen braven Leuten in dieser Stadt über all die Jahre so viel bedeutet hat, ist unverzeihlich. Er hat jeden Jungen beleidigt, der je f ür die Cougars gespielt hat, und all die braven Leute, die sie unterstützt haben.« »Das ist ein Bursche, der reich geworden ist, indem er Lügen über die Leute in dieser Stadt verbreitet hat«, sagte Deputy SheriffDave Muser, ein ehemaliger Klassenkamerad von Goffman, der der Ansicht ist, persönlich unter einem negativen Porträt in dem Roman gelitten zu haben. »Es ist für uns alle ein Schlag ins Gesicht, dass er meint, er kann einfach so nach Falls zurückkommen. Er sollte wissen, dass er hier nicht mehr willkommen ist.«
Alice Lippman, deren Frauen-Buchklub sich allmonatlich bei Paperbacks Plus trifft, war ähnlich empört. »Wir haben Bush Falb ausgewählt, als es erschien, und ich glaube, es gab nicht ein einziges Mitglied des Buchklubs, das nicht moralisch empört davon war. Ich hoffe, Mr. Goffman zu begegnen, damit ich ihm persönlich sagen kann, was für ein abscheulicher, destruktiver Mann er ist.«
Goffmans Vater, der ortsansässige Geschäftsmann Arthur Goffman, hat am vergangenen Montag während eines Basketballspiels der Alumni-Liga einen Schlaganfall
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