Stadtfeind Nr.1
dass das Zittern in meinen Oberschenkeln nicht so offensichtlich ist, wie es sich anfühlt. »Ich bin in eine Schlägerei geraten«, sage ich. »Einer meiner ausdrucksvolleren Kritiker.«
Sie nickt, und ihre Finger verharren noch einen Augenblick auf meinem Gesicht, bevor sie sie zurückzieht. »Ich könnte mir vorstellen, dass du davon in dieser Stadt mehr als genug hast.«
»Gehören Sie auch dazu?«, frage ich nervös. Das ist genau der Augenblick, den ich vor Augen hatte, als ich Owen zu überreden versuchte, mich die etwas lustvolleren Seiten des Romans, die Lucy betrafen, streichen zu lassen. Und hier sind wir nun, in meinen Albtraum, und ich bin völlig bloßgestellt; meine Besessenheit ist kein Geheimnis mehr vor ihr. Dieses Wissen allein würde nicht so viel ausmachen, aber sie weiß, dass ich es weiß, und ich weiß, dass sie weiß, dass ich es weiß, und diese zusätzliche Schleife des Bewusstseins sorgt dafür, dass sich meine Eingeweide vor Entsetzen zusammenkrampfen.
»Ich war wirklich bewegt von deinem Roman«, sagt sie mit zitternder Unterlippe. »Du hast mir eine völlig neue Seite meines Sohnes gezeigt, eine, die ich als seine Mutter nie zu sehen bekam.« Sie streckt einen Arm aus und drückt meine Hand. »Ich kann dir gar nicht sagen, was für ein kostbares Geschenk das war.«
Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. Es ist ein Zeugnis meines ungeheuerlichen Egoismus, dass ich mir nie auch nur einen Gedanken darüber gemacht habe, was Lucy bei Sammys Charakterisierung in dem Buch empfinden könnte. Ich hatte mich immer nur um meine eigenen wollüstigen Bekenntnisse gesorgt. »Das freut mich«, stammele ich.
Sie nickt, und dann lacht sie leise, wobei sie ihre Tränen fein säuberlich mit dem Rand eines Fingers aufhält. Ihre Nägel sind zur echtgefeilt und elfenbeinfarben lackiert. »Manchmal, wenn ich mich einsam fühle, lese ich Teile deines Buchs, und sie trösten mich.«
Welche Teile?, frage ich mich. Ich studiere ihr Gesicht, das noch immer unglaublich makellos und gefasst ist, die prallen Lippen, so voller sinnlicher Versprechungen und zu einem ganz leichten Schmollmund nach außen gedrückt, als würden sie den köstlichen nassen Sog, den sie nach Belieben an deinen unterschiedlichen Körperteilen vollführen können, sehnlichst erwarten. Sie lehnt sich auf der Couch zurück und lächelt mich warm an, mit strahlend weißen Zähnen, die sich glücklich schätzen dürfen, ständig von diesen phänomenalen Lippen poliert zu werden. Ich zermartere mir das Gehirn nach irgendetwas, was ich sagen könnte, aber mein Verstand ist völlig leer. »Es ist sehr schön, Sie zu sehen, Lucy«, sage ich schließlich.
Sie nickt lächelnd und erhebt sich, um zu gehen. »Es ist auch schön, dich zu sehen. Es weckt eine Menge Erinnerungen.« Ich folge ihr zurück in die Diele, wobei ich vergeblich versuche, ihr nicht auf den Arsch zu starren. An der Tür wendet sie sich noch einmal um und nimmt meine Hand in ihre beiden. »Du warst Sammy ein guter Freund, Joe. Das hat ihm viel bedeutet. Und mir.«
»Ich habe es versucht«, sage ich matt, wobei ich bei jedem Wort den sexhungrigen Heuchler spüre.
Lucy umarmt mich noch einmal, diesmal fester, mit der vollen Länge ihres Körpers gegen mich gepresst. Es ist eindeutig eine andere Umarmung als beim ersten Mal, eine geballte Liebkosung. Sie tut es urplötzlich, ohne mir eine Gelegenheit zu geben, meine Anatomie zu verbiegen und eine dezente Nische für meine Erregung zu schaffen, die sich wie ein Widerhaken gegen ihren Schenkel presst.
Sie weiß es, ich weiß, dass sie es weiß, und sie weiß, dass ich weiß, dass sie es weiß. Wieder einmal ist unser Wissen ein Kreislauf, der um meine reuelose Schwellung wirbelt. Sie dreht den Kopf zur Seite, um ihre Lippen an mein Ohr zu pressen, und ich spüre ihr Lipgloss nass auf mir und wünschte, meine Ohren hätten Geschmacksknospen, um zu erkennen, welches Aroma sie aufgetragen hat. Ich tippe auf Pfirsich. »Besuch mich irgendwann«, murmelt sie. »Ich will mit dir noch mehr über das Buch sprechen.«
»Das werde ich«, sage ich, während mich die Berührung ihrer Lippen an meinem Ohr erzittern lässt und ein Hitzeschwall sich von meinem Nacken ausbreitet. Das hat man nun von einem halben Jahr Enthaltsamkeit.
Sie tritt einen Schritt zurück und streicht mir mit den Fingern über die Arme, als sie mich loslässt. »Versprochen?«
Ich verspreche es.
Als Bush Falls druckfertig wurde, war ich hin und her gerissen, ob ich
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