Stadtfeind Nr.1
mitleidvoll pfeift und die universale männliche Sensibilität gegenüber verunstalteter Schönheit zum Ausdruck bringt, die im Allgemeinen für Beschneidungen und ramponierte Importwagen reserviert ist. Er wendet sich zu mir um, mit hochgezogenen Augenbrauen, streckt erwartungsvoll eine flache Hand aus und sagt: »Vielleicht sollte ich mich besser ans Steuer setzen.«
»Ich habe gehört, es war Sean Tallon, der dir gestern den Arsch versohlt hat«, sagt er beiläufig, während er den Mercedes in gefährlich hohem Tempo durch die Einkaufsgegend von Bush Falls lenkt.
Ich schnalle mich an. »Wo hast du das denn gehört?«
Er ignoriert die Frage. »Er ist ein durchgeknalltes Arschloch, weißt du.«
»Das habe ich gehört«, sage ich. »Aber was genau heißt das?«
Er zuckt die Schultern und biegt scharf rechts ab. »Vermutlich, dass du dich nicht mit ihm hättest anlegen sollen.«
»Dein Dad schien aber keine Angst vor ihm zu haben.« »Ach, Dad«, sagt Jared säuerlich.
Ich sehe meinen Neffen nachdenklich an. »Was ist denn das Problem zwischen euch?«
»Diese Woche sind es die Ohrringe.« Ich will schon etwas sagen, bremse mich aber, da es mich schließlich nichts angeht, und sage es dann bezeichnenderweise natürlich doch. »Du bist dir doch darüber im Klaren, dass du im Augenblick eine Phase durchmachst, oder? Dass du in ein paar Jahren über diesen ganzen rebellischen Blödsinn hinausgewachsen sein wirst und das alles keine Rolle mehr spielen wird.«
»Vielleicht«, räumt er ein, den Blick fest auf die Straße geheftet. »Aber ich muss trotzdem einen guten Kampf liefern, solange ich noch im Vorteil bin.« Er grinst leicht. »Man könnte sagen, es ist mein Job.«
»Naja, du hast dich mit Sicherheit ins Zeug gelegt.« »Egal«, sagt Jared. »Und was ist das Problem zwischen dir und ihm?«
»Nichts, was ein paar Jahre intensiver Familientherapie nicht richten könnte.«
»Na ja, ich denke, der Zug ist wohl mehr oder weniger abgefahren. Nachdem Grandma nicht mehr da ist und Gramps ... du weißt schon.«
Ich habe noch nie gehört, dass meine Mutter als Grandma bezeichnet wurde. Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass der Titel posthum erworben werden könnte, und es aus Jareds Mund zu hören ist für einen Augenblick verwirrend. Ich verspüre eine Kälte in meiner Magengegend, einen unvermuteten Trauerschmerz, der so heftig ist, dass eine Fortsetzung des Gesprächs unmöglich ist. Wir sitzen ein paar Minuten schweigend da, bis ich sehe, dass wir stadtauswärts auf dem Porter's Boulevard unterwegs sind. »Wohin fahren wir?«, sage ich. »Das Einzige, was es hier draußen gibt, ist Porter's.« »Bingo.«
»Was zum Teufel wollen wir denn bei Porter's?« »Du wirst schon sehen.«
Der Firmensitz von P. J. Porter ist ein massiver, lang gezogener vierstöckiger Bau, der von außen betrachtet hauptsächlich aus düsterer Glasvertäfelung und poliertem Feldstein besteht, ein Monument des Kapitalismus. Das Gebäude ist von mehreren Quadratkilometern hügeliger, makelloser Rasenflächen und strategisch platzierten Teichen und Springbrunnen umgeben, als sei es mitten auf einen Meisterschaftsgolfplatz gesetzt worden. Der vorherrschende Eindruck bewusster Abgrenzung wird durch ein umliegendes großes Waldstück verstärkt, das bewusst intakt gelassen wurde, um einen Ring um das Gelände zu bilden. Diese weitläufige idyllische Lage ist entweder ein erhabenes Zeugnis der modernen Ergonomik oder eine körperliche Manifestation des grotesk aufgeblähten kollektiven Egos der Familie Porter zu ihrer finanziellen Blütezeit.
Jared fährt am Haupteingang vorbei, der durch ein Tor verschlossen ist, und wir fahren noch ein paar Minuten weiter, auf einer schmalen Straße, die sich zwischen den Bäumen hindurch schlängelt, bis er auf einmal auf einen Feldweg abbiegt, der in den Wald führt. Der Weg endet vor einem versperrten Tor in dem drei Meter hohen Maschendrahtzaun, der das Porter's-Gelände umgibt. Eine Gruppe von Teenagern taucht auf einmal gespenstisch im schmalen Lichtstrahl der tief liegenden Mercedesscheinwerfer auf, rauchend, gegen Bäume gelehnt, Steine in den Wald werfend. Sie sehen aus wie die Verlorenen Jungen, die auf Peter Pans Rückkehr warten. Sie verschwinden außer Sichtweite, als Jared die Scheinwerfer ausschaltet und zwischen einem Jeep und einem Honda Accord im Wald parkt. Wir steigen aus dem Wagen, um uns zu den Jugendlichen zu gesellen, die alle etwa in Jareds Alter zu sein scheinen. »Was gibt's,
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