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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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ein zusätzlicher Nervenkitzel entsteht, durch das Gefühl echter Gefahr, da wir ja unbestreitbar Eindringlinge und Vandalen sind. Das Umfeld der zerfallenen Firmenzivilisation, aus der unser Schlachtfeld besteht, verleiht dem Spiel einen surrealistischen Subtext, gibt ihm ein weltfremdes Gefühl, das mich, zusammen mit dem jugendlichen Kampfgeschrei, das von der hohen Glasdecke widerhallt, an Der Herr der Fliegen erinnert. Erst als nach dem vierten Spiel eine Auszeit gepfiffen wird und wir uns alle im zentralen Konferenzbereich versammeln, um uns auszuruhen, identifiziere ich die fremdartige Empfindung, die mich durchströmt, als Spaß. Jared und ich lassen uns auf zwei Schreibtischsessel mit Rädern fallen, streifen die Schutzbrillen ab und legen die Autococker-Luftgewehre in den Schoß. Wir schwitzen und keuchen, und unsere Kleider sind mit impressionistischen blauen Farbklecksern übersät. Auf den Munitionspatronen unseres Teams steht Red Virus , und im fahlen Schimmer der Ausgangsschilder über uns kann ich jetzt erkennen, dass unsere Gegner alle rot bespritzt sind. Wir acht ruhen uns in der unkomplizierten Kameradschaft eines Sturmtrupps aus, der einen Augenblick verschnauft, bevor der nächste Hügel genommen wird.
    »Hey, Mr. Goffman«, sagt Mikey.
    »Nenn mich Joe.«
    »Joe. Sie haben sich weitaus besser geschlagen, als ich dachte. Sie sind ganz gut in Form.«
    »Danke.«
    »Für einen alten Typen«, fügt er grinsend hinzu.
    »Mikey«, sage ich.
    »Ja.«
    »Suck my Autococker.«
    Gelächter und Gejohle rings um mich für diesen Spruch, und ich empfinde einen plötzlichen jugendlichen Stolz auf meine schnelle Zunge.
    »Was ist hier eigentlich mit dem Wachschutz?«, frage ich. »Ich kann gar nicht glauben, dass sie diesen Ort unbewacht lassen.«
    »Nur zwei Wachleute in dem Häuschen vorn«, sagt Jared. »Sie fahren manchmal mit einem Golfwagen über das Gelände, aber sie kommen nie rein.«
    »Sie sind zu beschäftigt mit Fernsehen«, fügt Mikey hinzu.
    »Wir wählen im Allgemeinen einen Abend aus, an dem es ein gutes Ballspiel gibt«, sagt jemand, ich glaube, es ist Grossman.
    »Woher wisst ihr denn, dass sie das Gebäude nie patrouillieren?«
    »Es ist einfach noch nie passiert«, sagt Jared.
    Natürlich fliegt in genau diesem Augenblick die Tür zum Treppenhaus mit einem lauten Knall auf, und zwei Männer in Wachschutzuniformen kommen angerannt, brüllen und leuchten mit Taschenlampen in unsere Richtung.
    »Oh«, sagt Jared. »Scheiße.«
    »Keine Bewegung«, brüllt einer der Wachleute.
    »Niemand rührt sich!«, brüllt der andere.
    Nur ich gehorche. Die sieben Jugendlichen, mit denen ich zusammen bin, springen alle gleichzeitig auf und richten ihre Farbballgewehre auf die beiden verblüfften Männer, die mit offenem Mund wie angewurzelt an Ort und Stelle verharren. »Ihr rührt euch nicht, Arschlöcher!«, brüllt Mikey schadenfroh. Die Wachleute starren mit lähmendem Entsetzen auf die Titaniumläufe von sieben Autocockern, und so verharren wir alle ein paar Sekunden, in der Schwebe eines perfekten Tarantino-Augenblicks. Dann huscht ein Blick plötzlicher Erkenntnis über das Gesicht eines der Wachleute. »Augenblick. Das sind ja Luftgewehre«, beschwert er sich, als würden wir nicht fair spielen.
    Mikey stößt einen markerschütternden Schrei aus, und ungläubig sehe ich zu, wie die Jungen das Feuer eröffnen und einen Hagel roter und blauer Farbkugeln auf die beiden Wachleute abfeuern, wobei die Luftgewehre zischen und klicken wie ein New-Wave-Percussioninstrument . Die Kugeln explodieren farbenfroh auf den Wachleuten in einer Symphonie leicht knallender Geräusche, und die beiden stürzen zu Boden, wobei sie in verblüfftem Entsetzen aufschreien und sich zu einer fötalen Position zusammenrollen, die Arme schützend um den Kopf gelegt. »Verschwinden wir!«, sagt irgendjemand, und wir alle beginnen uns ins Treppenhaus zurückzuziehen, wobei wir immer wieder Sperrfeuer geben, um die Wachleute auf dem Boden zu halten, bis wir es geschafft haben. Wir fliegen die Treppe hinunter, johlen und kreischen in einem wilden Freudengeschrei, und in dem Gewirr der Stimmen erkenne ich eine als meine eigene. Ein paar Augenblicke später stürzen wir aus dem Treppenhaus, jagen durch die Ladebucht und aus dem Gebäude in die Dunkelheit des Porter's-Geländes. Die kalte Luft belebt mein heißes, verschwitztes Gesicht, und ich werde fast von Euphorie übermannt, als wir den ersehnten Schutz des Waldes

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