Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
Michael.«
»Hallo, Mike.«
»Michael.«
»Oh … Mensch, weißt du was? Ich muß dir die Wahrheit sagen. Ich hab dich genau angeguckt, als du reingekommen bist … und ich hab mir gesagt: ›Das ist er, Chuck.‹ Das schwör ich bei Gott!«
Was sollte diese Mackernummer? »Immer weiter so«, sagte Michael grinsend. »Ich kann die Streicheleinheiten brauchen.«
»Weißt du, was es so richtig gebracht hat, Mann?«
»Nein.«
Der Mann deutete mit einem selbstsicheren Lächeln auf Michaels Schuhe. »Die da.«
»Meine Schuhe?«
Er nickte. »Ja, deine Weejuns.«
»Echt?«
»Und die weißen Socken.«
»Verstehe.«
»Sind die neu?«
»Die Weejuns?«
»Genau.«
»Nein. Ich hab sie grade neu besohlen lassen.«
Der Mann fixierte weiter Michaels Slipper und wackelte ehrfurchtsvoll mit dem Kopf. »Neu besohlt. Supertoll!«
»Entschuldige, aber bist du …?«
»Wie viele Paar hast du?«
»Nur die.«
»Ich hab sechs Paar. Schwarze, braune, welche aus Wildleder …«
»Die gefallen dir wohl, was?«
»Hast du meine Anzeige im Advocate gesehen?«
»Nein.«
»Da steht …« Er hob die Hand, um es Michael bildhaft vorzuführen. »›Bass Weejuns.‹ In fetten Großbuchstaben.«
»Die Formulierung allein springt einem ja schon ins Auge.«
»Ich krieg eine Unmenge Anrufe. Lauter Studitypen. Viele haben einfach die Nase voll von den ganzen aufgetakelten Tunten hier in der Stadt.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Der Mann rückte ein Stück näher und senkte die Stimme. »Hast du sie schon mal … angelassen beim Sex?«
»Nicht, daß ich mich erinnern könnte. Aber … wenn du sechs Paar davon hast, warum hast du dann heute abend keine an?«
Der Mann war entsetzt über Michaels faux pas. »Zu Rugbyshirts zieh ich grundsätzlich meine Tigers an!«
»Ach ja, klar.«
Der Mann hielt einen Fuß zur Begutachtung hoch. »Billy Sive hat in Front Runner genau die gleichen an.«
Ein bißchen Sherry und ein bißchen Zuwendung
Mrs. Madrigal wirkte merkwürdig zurückhaltend, als sie die Tür aufmachte.
»Mona, meine Liebe …«
»Hallo. Ich dachte, Sie hätten vielleicht gerne Gesellschaft.«
»Aber sicher.«
»Eigentlich habe ich gerade gelogen. Ich dachte, ich hätte vielleicht gerne Gesellschaft.«
»Na, dann werden wir ja beide glücklich, nicht? Komm rein.«
Die Vermieterin schenkte ihrer Mieterin ein Glas Sherry ein. »Ist Michael weg?«
Mona nickte. »Er ist in der Sauna, glaube ich.«
»Aha.«
»Und da weiß man nie, wann er wiederkommt.«
»Er ist ein reizender Junge, Mona. Ich habe wirklich nichts einzuwenden gegen ihn.«
Mona rümpfte die Nase. »Sie sagen das, als wären er und ich verheiratet oder so.«
»Verheiratet kann man auf sehr viele Arten sein, meine Liebe.«
»Ich glaube nicht, daß Sie verstehen, wie das mit Michael und mir läuft.«
»Mona … es gibt viele Dinge, die einen stärker aneinander binden als der Sex. Und die halten auch länger vor. Als ich noch … klein war, hat mir meine Mutter mal eine Geschichte erzählt: Legen ein Mann und eine Frau jedesmal einen Penny in eine Dose, wenn sie im ersten Jahr nach ihrer Hochzeit miteinander schlafen, und nehmen sie danach jedesmal einen Penny heraus, dann bekommen sie nie wieder alle Pennies aus der Dose zurück … Wahnsinn! Ich habe schon jahrelang nicht mehr daran gedacht.«
»Das ist ja ’ne tolle Geschichte.«
Mrs. Madrigal lächelte. »Es ist auch ein Trost für die, die noch nie sehr viele Pennies reingesteckt haben.«
Mona nippte verlegen an ihrem Sherry.
»Habt ihr schon mal miteinander gesprochen, du und Michael?«
»Über Sie?«
Die Vermieterin nickte.
»Ich … Nein. Ich denke, das ist Ihre Sache.«
»Ihr beide steht euch sehr nahe. Da wird er doch schon mal nachgefragt haben.«
»Nein. Kein einziges Mal.«
»Weißt du, es macht mir nichts aus … wenn er es weiß.«
»Das ist mir schon klar … aber ich denke wirklich, daß Sie es ihm sagen sollten.«
»Danke, meine Liebe.«
»Ich habe meinen Job verloren«, sagte Mona endlich.
» Was?«
»Der alte Scheißkerl hat mich gefeuert.«
»Wer?«
»Edgar Halcyon. Sein Schwiegersohn hat sich bei ihm über mich beschwert, und der Alte hat mich sofort an die Luft gesetzt.«
»Aber Mona … warum sollte er …«
Mona schnaubte verächtlich. »Sie kennen Edgar Halcyon nicht. Er ist das größte Arschloch an der Barbary Coast.«
»Mona!«
»Wenn es doch stimmt! Aber eigentlich war es eine Erleichterung für mich. Wie ich diesen Job gehaßt habe! Den
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