Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
mitteilen.«
KLINGELINGELING!
Die Damen ließen ihre Gabeln fallen und beugten sich vor – ein Dutzend erwartungsvoller Gesichter über den Spargeltellern.
»Herzlich willkommen«, sagte Prue strahlend und blickte in die Runde. »Ich bin überglücklich, daß Sie heute anwesend sein können, um sich über Ihre persönlichen Einblicke in ein Thema von allergrößter Bedeutung auszutauschen.« An dieser Stelle fiel ihr Gesichtsausdruck schlagartig in sich zusammen wie ein durchgeschütteltes Soufflé. »Unser ganz spezieller Gast ist heute Velma Runningwater, eine Ureinwohnerin unseres Landes, die sich in Petaluma erfolgreich gegen eine Massenvergewaltigung durch sechzehn Mitglieder der Hell’s Angels zur Wehr gesetzt hat.«
Binky pfiff leise. »Das ist ja besser als das Treffen, zu dem sie die Macholesbe angeschleppt hat!«
»Gib mir mal die Brötchen«, flüsterte DeDe.
»Doch bevor wir Miss Runningwaters wirklich bemerkenswerte Geschichte hören, möchte ich mit Ihnen allen, die sich hier zum Forum zusammengefunden haben, ein außergewöhnliches Experiment versuchen …«
»Jetzt kommt’s«, sagte Binky und stieß DeDe unter dem Tischtuch an. »Sie denkt sich immer einen Hammer aus.«
»Heute«, sagte Prue und legte eine dramatische Pause ein, »werden wir ein persönliches Plauderstündchen zum Thema Vergewaltigung wagen …«
Binky kniff DeDe. »Ist es nicht ganz unglaublich?«
DeDe kaute nervös auf ihrem Brötchen herum. Unter den Ärmeln ihres Hemdblusenkleids von Geoffrey Beane hatten sich bereits dunkle Ringe gebildet. Sie fand das Sprechen vor Publikum ganz unausstehlich. Sogar im Sacred Heart hatte sie davor schon Angst gehabt.
»Es wird Ihnen mit Sicherheit schwerfallen«, fuhr Prue fort, »aber ich möchte, daß Sie alle von einem Erlebnis berichten, das Sie wahrscheinlich zu verdrängen versucht haben … von einem Erlebnis, bei dem Ihrer … Persönlichkeit … gegen Ihren Willen Gewalt angetan wurde. Hier und heute haben Sie nun die Möglichkeit, sich mitzuteilen, sich Ihren Schwestern gegenüber zu öffnen.«
»Shugie Sussman ist nicht meine Schwester«, flüsterte Binky. »Sie hat nach dem Kotillon in meinen Alfa gekotzt.«
»Ssssch«, zischelte DeDe. Sie zählte die Sekunden bis zum Augenblick der Wahrheit. Was konnte sie schon sagen? Sie war noch nie vergewaltigt worden, Herrgott noch mal! Noch nicht einmal ausgeraubt.
»Wahrscheinlich wäre es hilfreich«, säuselte Prue, als sie die Zurückhaltung ihrer Gäste spürte, »wenn ich den Anfang machen und Ihnen meine eigene Geschichte offenbaren würde.«
Binky kicherte.
DeDe trat mit dem Fuß nach ihr.
»Das ist das erste Mal«, fuhr Prue fort, »daß ich es jemandem erzähle. Reg natürlich ausgenommen. Es ist weder im Tenderloin noch im Fillmore, noch im Mission passiert, wie Sie vielleicht annehmen, sondern in … Atherton!«
Die Damen japsten unisono.
»Außerdem«, sagte die Gastgeberin nach einer Kunstpause, »war es jemand, der Ihnen allen sehr gut bekannt ist …«
Prue senkte den Kopf. »Es würde nicht weiterhelfen, wenn ich auf die schauerlichen Einzelheiten näher einginge … Vielleicht hat jetzt jemand anderes Lust, sich uns mitzuteilen. Wie wäre es mit Ihnen, DeDe?«
Scheiße. Es blieb nie aus.
DeDe stand zögernd auf und legte ihre Serviette zusammen. »Ich … ich weiß nicht … so recht.«
Binky kicherte.
Prue klingelte leise mit dem Silberglöckchen. »Also bitte … DeDe möchte sich uns mitteilen. Wir sind Ihre Schwestern, DeDe. Vor uns können Sie alles ganz offen aussprechen.«
»Es war … schrecklich«, sagte DeDe endlich.
»Natürlich war es schrecklich«, sagte Prue verständnisvoll. »Können Sie uns sagen, wo es passiert ist, DeDe?«
DeDe schluckte. »Zu Hause«, sagte sie schwach.
Prues Hand verkrampfte sich im Vorderteil ihres Saris. »Es war doch kein … Eindringling?«
»Nein«, sagte DeDe. »Ein Botenjunge.«
Als DeDe nach Hause kam, ging sie sofort zum Telefon und rief bei Jiffy’s an; sie bestellte eine Schachtel Doughnuts und eine Flasche Drano Abflußfrei.
Zehn Minuten später war Lionel da.
Liebesduett auf der Rollschuhbahn
Mona feierte ihren ersten Tag in Freiheit gemütlich mit einem Vormittagscappuccino bei Malvina’s. Als sie in die Barbary Lane zurückkam, stand Michael gerade unter der Dusche.
»O Gott! Hast du gestern abend in der Sauna nicht genug Dampf gekriegt?«
Michael steckte den Kopf hinter dem Vorhang hervor. »Oh … tut mir leid. Machst du ein
Weitere Kostenlose Bücher